Deutsche Afghanistan-Strategie Mehr Soldaten, mehr Ausbilder, mehr Defensive

Die Zeit des Spekulierens ist vorbei: Deutschland will 500 Soldaten plus "flexible Reserve" mehr nach Afghanistan schicken und dennoch sehr viel "defensiver" agieren. Wie das geht, erläuterte die Kanzlerin. Der Abzug der Bundeswehr, so Außenminister Guido Westerwelle, beginnt 2011.

Nach Tagen des Spekulierens ist die Katze aus dem Sack: Die Bundesregierung will zusätzlich zu den bisher 4500 Soldaten weitere 500 nach Afghanistan schicken. Darüber hinaus sollen 350 Soldaten als "flexible Reserve" dienen, die für kurzfristige Einsätze, beispielsweise vor den Parlamentswahlen, an den Hindukusch berufen werden sollen.

Trotz der Aufstockung nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel die neuen Strategie der deutschen Truppen einen "sehr viel stärker defensiven Ansatz". Denn künftig sollen sich 1400 der dann 5000 Soldaten um die Ausbildung der afghanischen Truppen kümmern. Bislang sind zu diesem Zweck nur 280 Soldaten vor Ort.

Die Ausbilder sollen laut Merkel einen neuen Ansatz verfolgen, der den Schutz der Bevölkerung gleichrangig einbezieht. Damit ist gemeint, dass die Soldaten die Feldlager öfter verlassen und die afghanischen Sicherheitskräfte auf ihren Patrouillen begleiten. Die Ausbildung selbst erfolgt hauptsächlich im Feldlager. Als Ziel wird gesetzt, rund 172.000 einheimische Soldaten und 134.000 Polizisten auszubilden.

Die Ziele der Regierung

Zugleich will die Bundesregierung ihre finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau in Afghanstan aufstocken. Merkel kündigte an, dass der Betrag von 210 Millionen auf 430 Millionen Euro pro Jahr mehr als verdoppelt werden soll. Die Ziele, die mit dem Geld erreicht werden sollen: Der Zugang der Menschen zu Energie und Trinkwasser soll von 22 auf 50 Prozent steigen. Statt 30 Prozent sollen künftig rund drei Viertel "Zugang zum Arbeitsmarkt" haben, und langfristig sollen 60 Prozent der Kinder zur Schule gehen. Alle Zahlen beziehen sich auf den Norden des Landes, der auch künftig das Einsatzgebiet der Bundeswehr sein soll.

Zudem will Deutschland 50 Millionen Euro in einen 350 Millionen schweren internationalen Fonds zahlen, der sich um die Reintegration von Taliban-Aussteigern in die afghanische Gesellschaft kümmert.

Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan soll im nächsten Jahr beginnen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte in Berlin: "Wir wollen 2011 mit dem Abbau unseres eigenen Kontingentes beginnen." Ziel der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung sei eine Abzugsperspektive. Dafür sollten die Voraussetzungen geschaffen werden.

Was sagen die Amerikaner?

Mit diesem Konzept im Gepäck fährt Außenminister Guido Westerwelle zur Afghanistan-Konferenz in London, die am Donnerstag stattfindet. Ob der "defensive Ansatz" und die geplante moderate Aufstockung auf die Gegenliebe der Verbündeten trifft, ist zweifelhaft. Die Amerikaner forderten zuletzt deutlich mehr Truppen von den Partnern. Der Oberbefehlshaber am Hindukusch, General Stanley McChrystal, kritisierte die mangelnde Risikobereitschaft der Bundeswehr.

ben