500 Inhaftierte schlafen auf dem blanken Boden, allein fünf sind in diesem Jahr bereits gestorben. Wie im April, als die Leiche des 35-jährigen Lashawn Thompson gefunden wurde: "In einer dreckigen Zelle, lebend aufgefressen von Insekten und Bettwanzen", wie es sein Anwalt etwas sehr eindrücklich schildert. Untersuchungen über solche und andere Vorfälle und Zustände laufen im Dutzend, im Gefängnis von Fulton County herrsche eine "humanitäre Krise", sagte ein Behördenmitarbeiter jüngst. In diesem Knast, genauer: Untersuchungsanstalt, mitten in Atlanta, wird demnächst Ex-US-Präsident Donald Trump sitzen.
Donald Trump, ein Gefangener wie jeder andere
Bis zum 25. August muss das angeklagte frühere Staatsoberhaupt vor Gericht in der Hauptstadt des "Pfirsichstaats" erscheinen. Unmittelbar zuvor, so erwarten es die Behörden, würden er und die 18 Mitangeklagten im Gefängnis von Fulton County festgehalten werden. Die britische BBC zitiert den örtlichen Sheriff Pat Labat mit den Worten, dass die Beamten bei dem Fall Donald Trump "normale Praktiken" anwenden würden. Vermutlich dürfte sein Aufenthalt dort nur kurz sein, anders als manche Insassen, die in dem berüchtigten Untersuchungsgefängnis viele Monate verbringen müssen. Etwa, weil sie keine Kaution stellen können.
In Georgia wurde Trump wegen versuchten Wahlbetrugs angeklagt. Es ist bereits die vierte Anklage gegen den Republikaner in nicht einmal einem halben Jahr. Konkret geht es darum, dass er und sein Team versucht haben sollen, das Wahlergebnis zu kippen. Der Bundesstaat spielte für den Wahlausgang 2020 eine Schlüsselrolle: Joe Biden gewann dort knapp mit etwa 12.000 Stimmen Vorsprung. Trump rief kurz nach der Auszählung beim obersten Wahlaufseher Georgias an und forderte ihn unverblümt auf, genügend Stimmen für ihn "zu finden", um das Ergebnis "nachzuberechnen".
Muss Trump 136 Jahre absitzen?
Für Staatsanwältin Fani Willis ist das der Beweis, dass Donald Trump das Wahlergebnis fälschen wollte, weswegen sie ihm nach dem "Rico-Act" belangen will – ein Gesetz, mit dem üblicherweise Verbrecherbanden bekämpft werden. Es sieht Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren vor. Haft droht dem früheren US-Präsidenten auch im Fall einer Verurteilung vor den drei anderen Gerichten New York (Schweigegeldaffäre), Washington (Wahlbeeinflussung auf Bundesebene) und Florida (Dokumentenaffäre).
Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass er jeweils die Höchststrafe verbüßen muss, kämen 136 Jahre Gefängnis zusammen – an vier verschiedenen Orten. Nur: Wo würde er sie dann absitzen müssen? Dort, wo das erste Urteil fällt? Dort, wo das schwerste Verbrechen verhandelt wurde? In einem Bundesgefängnis oder in einer Landesanstalt? Und wer würde im Zweifel darüber entscheiden?
Jurist Rodegra: Nur wenig bis keine Präzedenzfälle
Der Berliner Jurist Jürgen Rodegra, der auch in New York als Anwalt zugelassen ist, sagt dem stern, dass in diesem, hypothetischen, Fall "verschiedene Kräfte gegeneinander arbeiten" würden. "Nach meinen Kenntnisstand gibt es dazu keine oder nur wenige Präzedenzfälle."
So sei es möglich, dass beispielsweise die Behörden in Georgia argumentierten, eine Verurteilung wegen Wahlmanipulation wiege am schwersten, weswegen die Strafe dort abgesessen werden müsse. Vielleicht aber setzt sich auch das Bundesjustizministerium in der Hauptstadt Washington durch und Trump muss in ein Bundesgefängnis. "Sollte es keine Einigung geben, müsste am Ende wohl der Supreme Court entscheiden." Rodegra geht allerdings davon aus, dass Donald Trump am Ende ohnehin nicht zu einer Haftstrafe verurteilt werden wird.