Entschädigungsklagen "In Deutschland herrscht Sturheit"

Die Entschädigungsklagen der Vertriebenenorganisation "Preußische Treuhand" gefährden die deutsch-polnischen Beziehungen. Polens Ministerpräsident Kaczynski hat die Klagen und die Haltung der deutschen Regierung heftig kritisiert.

Die Klagen der Vertriebenenorganisation "Preußische Treuhand" gegen Polen stellen nach Ansicht von Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski ein ernstes Problem dar. Die Angelegenheit erfordere "eine blitzschnelle Aktion" des Parlaments, sagte der nationalkonservative Regierungschef im polnischen Rundfunk. "Es muss eine klare Erklärung geben, dass Polen keinerlei Urteile anerkennt, die das polnische Recht in dieser Hinsicht erschüttern."

Bei den jüngsten deutsch-polnischen Gesprächen in Berlin sei es auch um die Entschädigungsforderungen vertriebener Alteigentümer gegangen, sagte Kaczynski. "Aber hier herrscht völlige Sturheit. Die Deutschen wollen keiner Entscheidung zustimmen, die dazu führt, dass die Klagen an die deutsche Regierung gerichtet werden." Es sei ein Fehler gewesen, dass im deutsch-polnischen Vertrag vor 15 Jahren dieses Problem nicht abschließend als innere Angelegenheit Deutschlands festgeschrieben worden sei, sagte Kaczynski.

"Entschlossene Aktion" nötig

Außenministerin Anna Fotyga schloss nicht aus, dass die Regierung sich in der Zurückweisung der Vertriebenenklagen auch mit der Opposition abstimmt. Die Klage beweise, dass eine "entschlossene Aktion" Polens nötig sei, sagte Fotyga. Es sei allerdings "schwer zu sagen", ob dies auch eine Neuverhandlung des Nachbarschaftsvertrages zur Folge haben werde.

"Die Regierung kann angesichts dieses Ereignisses nicht tatenlos bleiben", betonte Fotyga. Es könne nicht sein, dass es in den bilateralen Beziehungen "immer häufiger zu Tätigkeiten kommt, die für den polnischen Staat bedrohlich sind und auf die schwer reagiert werden kann, weil sie wirtschaftlichen Charakter haben wie die Ostseepipeline (zwischen Russland und Deutschland) oder privaten wie die Entschädigungsklagen".

Die "Preußische Treuhand" hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg 22 Einzelklagen gegen Polen eingereicht. Die Organisation will damit zunächst erreichen, dass die Vertreibungen von Millionen von Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg gerichtlich als Unrecht anerkannt werden.

"Ein Schlag ins Gesicht"

Bundesratspräsident Harald Ringstorff warnte während seines Polenbesuchs davor, die Klage der Alteigentümer überzubewerten. Kein ernst zu nehmender Politiker in Deutschland unterstütze die Klage, betonte er nach einem Treffen mit Senatspräsident Bogdan Boruszewicz. Es gebe aber keine rechtliche Möglichkeit, die Klagen von Privatleuten zu unterbinden. "Dieses Problem kann nicht überschatten, was an guten Beziehungen zwischen Deutschland und Polen aufgebaut worden ist", hoffte Ringstorff.

Mit heftiger Kritik reagierte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, auf die Klagen der Preußische Treuhand. "Das ist für alle, die jahrzehntelang für eine Aussöhnung gekämpft haben, ein Schlag ins Gesicht", sagte der katholische Bischof in einem Interview der Deutschen Welle. "Das muss viel Unmut und Zorn in Polen erwecken, und ich sage klar, dass ich sehr bedauere, dass diese Klagen eingereicht wurden."

DPA
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