In Namibia mehrt sich der Druck auf die Bundesregierung, für Kriegsgräuel während der deutschen Kolonialzeit (1884-1915) eine Entschädigung zu zahlen. Eine Forderung von Herero-Oberhäuptling Kuaima Riruako wird von der Nationalversammlung der einstigen Kolonie Deutsch-Südwestafrika ausdrücklich unterstützt. Nach Angaben der in der Hauptstadt Windhuk erscheinenden "Allgemeinen Zeitung" hatte die Forderung am Vortag die Zustimmung von allen Parteien erhalten.
Riruako sagte, er fühle sich in seiner Überzeugung bestätigt, dass die von deutschen Kolonialtruppen begangenen Verbrechen an den Herero den Tatbestand des Völkermords erfüllen. Demnach hätten die Herero auch Anspruch auf die "Zahlung einer Entschädigung der Bundesregierung". Die namibische Regierung sollte als "interessierte Partei" an möglichen Verhandlungen teilnehmen.
"Das Schweigen brechen"
Auch die traditionellen Nama-Behörden fordern Wiedergutmachung für die Opfer in ihren Reihen und die Vertreibung während des Krieges von 1904 bis 1907. Nach Angaben der "Allgemeinen Zeitung" geht das aus einer Presseerklärung hervor. Vergangene Woche hätten sich Behördenvertreter getroffen, um "das Schweigen in dieser Angelegenheit zu brechen und eine klare Richtlinie für Forderungen nach Entschädigung für die betroffenen Nama (ein anderer Volksstamm) aufzustellen".
Die Nama-Behörden nehmen in ihrer Erklärung auch Bezug auf die namibisch-deutsche Versöhnungsinitiative, die vergangenes Jahr ins Leben gerufen worden war, verwiesen aber auf Verhandlungsbedarf. Die Initiative sollte besondere Maßnahmen zur Entwicklung von Gebieten auf dem Land unterstützen, in denen Herero, Nama (Hottentotten) und Damara leben. Vor allem diese Stammesgruppen hatten sich einst gegen die deutsche Kolonialherrschaft aufgelehnt. Der Aufstand wurde von deutschen Truppen gewaltsam niedergeschlagen. Dabei sollen nach Schätzungen rund 90.000 Afrikaner ums Leben gekommen sein.
20 Millionen als Entschädigung
Vereinbart werden sollte die Zahlung von rund 20 Millionen Euro von 2006 bis 2015. Alle Menschen, die in diesen Gebieten leben, sollten von der Initiative profitieren und sich aktiv an der Ausgestaltung beteiligen können. Die Vereinbarung sollte Ende 2005 beim Deutschlandbesuch von Namibias Präsidenten Hifikepunye Pohamba unterschrieben werden, war aber wegen weiteren Konsultationsbedarfs verschoben worden.
Namibia erhält als Schwerpunktland der deutschen Afrikapolitik die höchste Pro-Kopf-Entwicklungshilfe. Der Staat war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie, danach Mandatsgebiet des Völkerbunds unter südafrikanischer Verwaltung und ist seit 1990 unabhängig. Der Bundestag hatte sich zwei Mal zu Deutschlands besonderer Verantwortung für Namibia bekannt.