Gaza-Streifen Palästinenser greifen UN-Einrichtung an

Entgegen eines Appells von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas haben radikale Palästinenser am Sonntag im Gaza-Streifen erstmals eine UN-Einrichtung angegriffen. Zudem wurde ein Italiener entführt.

Ungeachtet eines Appells von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas für Recht und Ordnung haben radikale Palästinenser am Sonntag im Gaza-Streifen erstmals eine UN-Einrichtung angegriffen. Zudem wurde erneut ein Ausländer entführt. Der Italiener wurde nach einigen Stunden von palästinensischen Sicherheitskräften befreit. Er gehörte zu einer italienischen Delegation, die die Region im Vorfeld der für Ende Januar geplanten Wahlen besuchte.

In der Nacht zum Sonntag drangen maskierte Männer in einen Club für Mitarbeiter der Vereinten Nationen (UN) in Gaza-Stadt ein. Sie fesselten den Wachmann und sprengten die Bar. Der Club ist einer der wenigen Orte in der moslemisch geprägten Stadt, an denen auch Alkohol ausgeschenkt wird. Bei dem Angriff wurde das Dach des Gebäudes zerstört, Scheiben gingen zu Bruch. Gäste hielten sich dort nicht mehr auf, so dass niemand verletzt wurde. Zu dem Angriff bekannte sich zunächst niemand.

Rückschlag für Abbas

Der Überfall auf die UN-Einrichtung galt als weiterer Rückschlag für Abbas, der erst wenige Stunden zuvor in seiner Silvesteransprache ein Ende von Chaos und Gewalt gefordert hatte. Verschiedene radikale Palästinenser-Gruppen erklärten indes, sie sähen sich ab 1. Januar nicht mehr an die von Abbas im Februar vermittelte Waffenruhe gebunden.

Die meisten Palästinenser stehen den UN wohlwollend gegenüber. Die Organisation unterstützt unter anderem palästinensische Flüchtlinge und ihre Angehörigen. Sie ist der zweitgrößte Arbeitgeber im Gaza-Streifen nach der Palästinenser-Behörde. Viele ausländische UN-Mitarbeiter haben Gaza-Stadt allerdings angesichts der neu eskalierenden Gewalt und mehrerer Fälle von Entführungen von Ausländern verlassen. Erst am Freitag waren drei britische Geiseln freigekommen.

Entführter Italiener frei

Die italienische Geisel, Alessandro Bernardini, wurde nach seiner Befreiung von maskierten Sicherheitskräften in deren Hauptquartier in Gaza-Stadt gebracht. Er sah mitgenommen aus, blieb aber unverletzt. Er war in dem südlichen Ort Chan Junis auf offener Straße verschleppt worden. Dort ging er als letzter zum Bus seiner Gruppe, als plötzlich ein Auto neben ihm hielt und Bewaffnete heraussprangen. „Die Bewaffneten feuerten drei Schüsse in die Luft ab, zwangen den Mann in ihr Auto und rasten davon“, sagte ein Busfahrer, der den Vorfall beobachtete. Eine palästinensische Elite-Einheit teilte mit, sie habe das Haus umzingelt, in dem die Geisel festgehalten wurde. Die Entführer seien dann geflohen und hätten den Italiener zurückgelassen.

Eine Splittergruppe der radikalen Al-Aksa-Brigaden bekannte sich zu der Entführung. Sie forderte eine vollständige Untersuchung der Todesumstände von Ex-Palästinenser-Präsident Jassir Arafat. Die zur Fatah-Bewegung von Abbas’ gehörende Gruppe verlangte zudem die Entlassung korrupter Führungsmitglieder der Fatah. Der palästinensische Chef-Unterhändler Saeb Erekat verurteilte die Entführung. Die Geiselnehmer zerstörten das gute Bild der Palästinenser in der Welt und würden zur Rechenschaft gezogen. "Genug ist genug."

"Ein Bild der Schwäche"

Israel hat Palästinenser-Präsident Abbas wiederholt aufgefordert, gegen Extremisten vorzugehen. Nach dem Angriff auf die UN-Einrichtung sagte Vize-Ministerpräsident Ehud Olmert, der Angriff schmälere die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Friedensprozesses. "Es entsteht ein Bild der Schwäche und der mangelnden Entschlossenheit seitens der Palästinenser-Behörde."

Unterdessen wurde bestätigt, dass sich der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon am Donnerstag einem Eingriff am Herzen unterziehen und über Nacht im Krankenhaus bleiben wird. Der 77-Jährige hatte ein leichten Schlaganfall erlitten.

Reuters
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