Die pro-europäische georgische Präsidentin Salome Surabischwili hat das Ergebnis der Parlamentswahl in ihrem Land als "gefälscht" zurückgewiesen und eine "russische Spezialoperation" dafür verantwortlich gemacht. "Ich erkenne das Wahlergebnis nicht an", erklärte Surabischwili am Sonntag. Die Wahl am Samstag sei eine "totale Fälschung".
Zuvor hatte die Wahlkommission die regierende Partei des reichsten und mächtigsten Mannes im Land, Bidsina Iwanischwili, mit knapp 54 Prozent der Stimmen zur Siegerin erklärt. Damit spitzt sich in dem kleinen Nachbarland Russlands im Südkaukasus der Konflikt zwischen der prowestlichen Opposition und der zunehmend nationalkonservativen Regierungspartei zu.
Die rechtlichen Möglichkeiten von Präsidentin Surabischwili, die Vorgänge zu beeinflussen, sind aber begrenzt. Sie kann sich weigern, das neue Parlament zur konstituierenden Sitzung einzuberufen. Georgischer Traum kündigte aber an, dann laut Verfassung zehn Tage später ohne Präsidentin zum ersten Mal zu tagen.
Pro-europäische Polit-Elite ruft zu Protesten auf
Für Montag rief Surabischwili zu Massenprotesten auf. "Wir sind Zeugen und Opfer einer russischen Spezialoperation, einer modernen Form des hybriden Krieges gegen das georgische Volk", erklärte sie, ohne diese Anschuldigungen zu präzisieren.
Zuvor hatte bereits der inhaftierte georgische Oppositionspolitiker Michail Saakaschwili zu umfassenden Protesten aufgerufen. "Jetzt ist die Zeit für Massenproteste", erklärte der Ex-Regierungschef im Onlinenetzwerk Facebook. "Wir müssen der Welt zeigen, dass wir für die Freiheit kämpfen und dass wir ein Volk sind, das Ungerechtigkeit nicht duldet", schrieb Saakaschwili, der der wichtigsten Oppositionspartei UNM angehört.
Die traditionell gespaltene Opposition befürchtet, dass sich Georgien unter Führung des in Moskau reich gewordenen Oligarchen noch stärker dem Nachbarn Russland zuwendet und endgültig von seinem EU-Kurs abkommt.
EU-Wahlbeobachter zweifeln am Ergebnis in Georgien
EU-Ratspräsident Charles Michel forderte die Wahlbehörden in Georgien auf, mutmaßliche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zügig zu untersuchen. Die zentrale Wahlkommission und weitere zuständige Behörden sollten "ihrer Pflicht nachkommen und die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen und die diesbezüglichen Vorwürfe rasch, transparent und unabhängig untersuchen und bewerten", schrieb Michel im Onlinedienst X mit Verweis auf Berichte internationaler Wahlbeobachter.
Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des Europarats, des Europaparlaments und der Nato hatten in einer gemeinsamen Erklärung von Störungen des Urnengangs durch "Ungleichheiten (zwischen den Kandidaten), Druck und Spannungen" berichtet. Sie äußerten Zweifel am offiziellen Ergebnis. Insgesamt waren rund 3,5 Millionen Georgier im In- und Ausland zur Stimmabgabe aufgerufen. Das Land am Schwarzen Meer hat 3,7 Millionen Einwohner und ist seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat. Der Beitrittsprozess liegt aber wegen umstrittener Gesetze auf Eis.
Platz nehmen im Brüsseler Wartezimmer: Diese Länder kandidieren für den EU-Beitritt

Albanien galt seit dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates im griechischen Thessaloniki 2003 als potenzieller Beitrittskandidat. Sechs Jahre später reichte die Republik auf der Balkanhalbinsel offiziell seinen Mitgliedsantrag ein. Jedoch kam die EU-Kommission 2010 zu dem Schluss, dass das Land die als "Kopenhagener Kriterien" bekannten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft noch nicht ausreichend erfüllt.
Erst vier Jahre später wurde Albanien der Kandidatenstaus zugesprochen, nachdem es unter anderem die geforderten Justiz- und Verwaltungsreformen durchgeführt hatte. Nicht zuletzt die weit verbreitete Korruption und organisierte Kriminalität blockierten den Prozess.
In einer Mitte Dezember verabschiedeten Erklärung forderten die Staats- und Regierungschefs ihre Kollegen aus den Westbalkanländern zu entschlossenen Reformen auf – ein zügiger Beitritt sei schließlich in beiderseitigem Interesse. Albanien sieht sich allerdings als "Geisel" des Dauer-Streits um Nordmazedonien, wollte die EU die Verhandlungen für beide Staaten gleichzeitig eröffnen.
Foto: Der albanische Ministerpräsident Edi Rama bei einer Pressekonferenz in Brüssel
Die Wahlkommission hatte am Sonntag nach der Auszählung der Stimmen in mehr als 99 Prozent der Wahlkreise die Regierungspartei Georgischer Traum mit 54 Prozent der Stimmen zur Siegerin erklärt, das pro-westliche Oppositionsbündnis kam demnach auf 37,58 Prozent. Das Bündnis bezeichnet die offiziellen Ergebnisse als "gefälscht" und beansprucht den Wahlsieg für sich.