Der georgische Präsident Eduard Schewardnadse hat sich am Sonntag dem Druck wochenlanger Proteste gebeugt und seinen Rücktritt erklärt. "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass dies mit Blutvergießen enden könnte, falls ich meine Rechte ausnutze", sagte er. Auf die Frage, wohin er gehe, sagte er: "Nach Hause."
Oppositionsführer Michail Saakaschwili bezeichnete Schewardnadses Entscheidung als "mutigen Akt". "Mit seinem Rücktritt hat er verhindert, dass in diesem Land Blut vergossen wird. Die Geschichte wird ihn freundlich beurteilen." Vor dem Parlament in Tiflis feierten aber zehntausende von Demonstranten den Rücktritt des 75-Jährigen.
Schewardnadse bleibt in Georgien
Interfax zufolge sagte Schewardnadse zu seinem Rücktritt: "Ich halte es für notwendig, das jetzt zu tun." Oppositionsführer Surab Schwania sagte, Schewardnadse werde Georgien nicht verlassen. Ein anderer Oppositionspolitiker, Georgi Baramadise, hatte als erster die Rücktrittsnachricht verbreitet: Saakaschwili habe ihn telefonisch aus Schewardnadses Wohnsitz über die Unterzeichnung der Rücktrittserklärung informiert. Saakaschwili hatte den Präsidenten zuvor ultimativ dazu aufgefordert.
Sicherheitskräfte waren übergelaufen
Im Machtkampf hatte die von Saakaschwili geführte Opposition am Sonntag deutlich die Oberhand gewonnen: Auch aus Reihen der Sicherheitskräften erhielt sie Zulauf. Zudem rief sie nach der am Samstag erfolgten Besetzung des Parlaments und des Präsidentenpalasts zum Sturm weiterer Regierungsgebäude und der Privatwohnung des Präsidenten auf. Schewardnadse forderte dagegen die Demonstranten in einer Fernsehansprache auf, das Parlament zu räumen. Andernfalls werde er den am Samstag verhängten Ausnahmezustand umsetzen.
Der Kommandeur einer Eliteeinheit des Verteidigungsministeriums, Georgi Schengilia, erklärte aber, er werde die Befehle Schewardnadses nicht mehr ausführen. Bereits am Samstagabend hatte ein Brigadekommandeur über den TV-Sender Rustawi-2 angekündigt, er werde nicht gegen die Protestbewegung vorgehen.
Laut Rustawi-2 stießen rund 170 Soldaten der georgischen Nationalgarde zur Opposition. Das genaue Ausmaß der Übertritte war jedoch zunächst nicht zu beziffern. Saakaschwili sagte, fast das gesamte Heer sei inzwischen zu den Demonstranten übergelaufen.
Schewardnadse entlässt Sicherheitschef
Mit dem Sturm auf das Parlament war die konstituierende Sitzung der am 2. November gewählten neuen Volksvertretung unterbrochen worden. Anschließend hatte sich Nino Burdschanadse, die Präsidentin des vorherigen Parlaments, zur Übergangspräsidentin erklärt. Sie werde bis zu vorgezogenen Parlaments- und Präsidentenwahlen in 45 Tagen amtieren. Die Parlamentswahl vor drei Wochen wurde nach Einschätzung von Opposition und internationalen Beobachtern manipuliert. Schewardnadse entließ am Sonntag seinen Sicherheitschef Tedo Dschaparidse, weil dieser öffentlich Wahlfälschungen eingeräumt hatte.