Im Ringen um eine Rettung Griechenlands vor dem drohenden Bankrott jagt ein Krisentreffen das nächste: Nach zweistündigen nächtlichen Diskussionen wurden die Brüsseler Verhandlungen zwischen dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras und den Gläubigern seines Landes am frühen Morgen erneut vertagt.
Nachdem am Abend ein Treffen der Euro-Finanzminister ergebnislos zu Ende ging, kamen kurz vor Mitternacht Tsipras und Griechenlands Gläubiger zusammen. An dem Treffen in Brüssel nahmen die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, teil. Ebenfalls mit dabei waren laut EU-Kreisen Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und der Chef des Euro-Rettungsfonds, Klaus Regling.
Schuldenstreit überschattet EU-Gipfel
Der große Durchbruch blieb in der nächtlichen Runde aus, am Morgen soll in gleicher Besetzung weiter diskutiert werden. Tsipras und die Gläubiger wollten dann erneut versuchen, rechtzeitig vor dem um 13 Uhr geplanten Treffen der Euro-Finanzminister zu einer Einigung in der Schuldenkrise zu kommen, hieß es. Die Auseinandersetzung, bei der es letztlich um die Verbleib Griechenlands in der Eurozone geht, dürfte auch den Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs belasten. Das Treffen beginnt um 16 Uhr. Auf der offiziellen Tagesordnung steht die Schuldenkrise Griechenlands bisher allerdings nicht. Wichtige Themen des zweitägigen Spitzentreffens sollen die europäische Flüchtlingspolitik und die Reformforderungen des britischen Premiers David Cameron an die EU sein. Dieser will seine Landsleute bis 2017 über den Verbleib Großbritanniens in der EU abstimmen lassen.
Tsipras zieht Reformvorschläge zurück
Athen hatte Anfang der Woche neue Vorschläge für geforderte Reformen präsentiert, die Gläubiger wollen aber noch in mehreren Bereichen Änderungen. Erschwert wurden die Verhandlungen offenbar dadurch, dass Athen einen Teil seiner bereits gemachten Zugeständnisse am Abend wieder zurückzog. Von der Vorschlagsliste an die Gläubiger sei eine bei der Bevölkerung äußerst schwer zu vermittelnde Erhöhung der Rentenbeiträge wieder gestrichen worden, hieß es aus Regierungskreisen.
Es wäre das erste Mal seit Beginn der Verhandlungen,, dass die Tsipras-Regierung einen Vorschlag zurückzieht, um der Stimmung in der Bevölkerung und in der eigenen Partei gerecht zu werden. Das griechische Parlament muss jedem möglichen Kompromiss mit den Gläubigern zustimmen. Tsipras hatte vor dem Wahlsieg seines Linksbündnisses Syriza ein Ende der jahrelangen Sparpolitik versprochen und geriet in den vergangenen Wochen auch in den eigenen Reihen unter Druck, davon nicht abzuweichen.
IWF gegen Erhöhung der Unternehmenssteuer
Um wiederum die Geldgeber zufrieden zu stellen, suchten Tsipras und sein Team den Angaben aus Regierungskreisen zufolge fieberhaft nach Maßnahmen, mit denen der durch das Zurückrudern bei den Rentenbeiträgen verursachte Einnahmeverlust des Staates ausgeglichen werden könnte. Dabei soll es um einen Betrag von mehr als 600 Millionen Euro über die Jahre 2015 und 2016 gehen, der anderswo aufgebracht werden müsste. Weitere Differenzen gibt es offenbar bei der Mehrwertsteuer. Die Geldgeber forderten, dass der Satz für Restaurants auf 23 Prozent angehoben werde. Dies wäre ein großes Problem für das vom Tourismus abhängende Land. Der IWF wolle Kürzungen bei den Renten, aber keine Erhöhung der Unternehmensteuer, wie sie zuletzt die Griechen vorschlugen.
Die Verhandlungen stehen unter massivem Zeitdruck: Griechenland braucht dringend neue Finanzhilfen, um am Monatsende rund 1,5 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen zu können. An diesem Tag läuft auch das europäische Hilfsprogramm für Griechenland aus. Sollte keine Einigung erzielt werden, droht dem Land der Bankrott und letztlich der Austritt aus dem Euroraum.