Die Diskussion über die Lösung des griechischen Schuldendramas nimmt und nimmt kein Ende, doch leider ist das Thema hochkompliziert, die Gemengelage unübersichtlich. Und nicht nur Fachleute sind uneins, wie dem Patienten Griechenland am besten zu helfen sei. Immer wieder wird der "Grexit" ins Spiel gebracht, oder vor einem "Graccident" gewarnt. Was steckt hinter diesen Begriffen?
Eine Übersicht
Grexit: Das Schlagwort wurde in der Schuldenkrise erfunden. Der Kunstbegriff besteht aus den englischen Worten für Griechenland (Greece) und Ausstieg (Exit). Grexit steht für etwas eigentlich Unmögliches: Einen Ausstieg oder Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone.
Euro-Austritt: Vertraglich ist zwar bis ins Detail geregelt, wie man in die Euro-Zone hineinkommt. Nirgendwo steht jedoch, dass ein Land aus der Euro-Zone ausscheiden oder gar ausgeschlossen werden kann. Für die EU-Kommission ist klar: Ohne Ausscheiden aus der EU kein Ausscheiden aus der Euro-Zone. Die Idee hinter dem "Grexit-Szenario": Würde Griechenland statt des "harten" Euro wieder eine "weiche" Drachme einführen, könnte die griechische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte international viel günstiger anbieten.
Graccident: Gelegentlich wird auch vor einem unbeabsichtigten Euro-Aus der Griechen gewarnt. Das Kunstwort dafür besteht aus "Greece" (Griechenland) und dem englischen Wort "accident" (Unfall) - wobei das Wort im Englischen auch für Zufall stehen kann. Bisweilen wird "Graccident" auch mit "Grexit" zu "Grexident" kombiniert. Gemeint ist ein eher versehentliches Schlittern in den Euro-Ausstieg, den eigentlich niemand will - der aber unvermeidbar ist, weil Athen das Geld ausgeht. Dieses Szenario hieße: Weil zum Beispiel Staatsbedienstete weiter bezahlt werden müssten, würde Athen eine Art Zweitwährung ausgeben - die Wiedereinführung der Drachme durch die Hintertür, die von einigen Fachleuten als faktisches Ende der Euro-Mitgliedschaft interpretiert wird.
Staatspleite: Für Staaten gibt es - anders als bei Privatpersonen oder Firmen - bislang keine Insolvenzordnung. Damit fehlen auch klare Regelungen, wann für einen Staat der Pleitefall eintritt und wie dann vorzugehen ist. Eine Zahlungsunfähigkeit bedeutet keinesfalls automatisch das Ende der Euro-Mitgliedschaft - Pleite und "Grexit" sind also nicht dasselbe. In der internationalen Finanzwelt wird der Pleitefall ("Default") in der Regel von Ratingagenturen festgestellt; diese Agenturen beurteilen die Kreditwürdigkeit - und beobachten daher auch mit Argusaugen, ob Staaten ihre Schulden "bedienen", das heißt Zinsen zahlen und Schulden zurückzahlen. Wichtige Ratingagenturen haben bereits erklärt, dass sie Athen nicht auf "Default" herabstufen, falls Griechenland seine IWF-Kredite nicht mehr bedient. Für einige würde dies auch sogar dann gelten, wenn Griechenland Anleihen nicht bedienen kann, die von der Europäischen Zentralbank gehalten werden.
Primärüberschuss: Das größte Problem der Griechen sind die riesigen Schulden. Sie machen aktuell rund 180 Prozent der Wirtschaftsleistung aus - Tendenz: steigend, denn der griechische Staat gibt immer noch mehr aus als einer einnimmt. Grund für dieses laufende Staatsdefizit: Die Zinsen, die für die Schulden gezahlt werden müssen. Rechnet man diese Zinsen (und Tilgungen) nicht mit, betrachtet also nur den "Primärhaushalt", dann hat Athen im laufenden Geschäft immerhin 2013 und 2014 erstmals seit langem schwarze Zahlen geschrieben.
Fachleute nennen dies "Primärüberschuss". Je höher der ausfällt, umso geringer ist der Zwang, bei Ausgaben zu sparen oder Einnahmen zu erhöhen. Bislang galt ein dauerhafter "Primärüberschuss" von 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung als nötig - damit der Schuldenberg nicht noch weiter ansteigt. Heute ist aber klar, dass kurzfristig nicht einmal die ursprünglich angepeilten 3 Prozent drin sind. Die Geldgeber fordern für das laufende Jahr 1 Prozent, Griechenland will bislang noch weniger.
Schuldenschnitt: Manchmal hat ein Staat so viele Schulden, dass er sie nicht zurückzahlen kann und auch das Geld für Zinszahlungen fehlt. Dann versucht er zu erreichen, dass seine Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Das nennt man Schuldenschnitt – oder weil der Finanzjargon oft englisch ist "Haircut". Dieser schafft finanzielle Spielräume. Allerdings wächst auch das Misstrauen, dem Staat künftig noch einmal Geld zu leihen.
Rettungsschirm: Seit 2010 hatten immer mehr Staaten wegen hoher Schulden das Vertrauen bei Geldgebern verloren. Für sie spannten die Europartner einen Rettungsschirm auf. Er hieß zuerst EFSF, wurde später vom ESM abgelöst. Faktisch handelt es sich um einen Fonds, aus dem klamme Staaten Kredithilfen zu geringen Zinsen bekommen können. Wenn Griechenland seine Schulden gegenüber einer der Institutionen (also gegenüber dem IWF oder der EZB) nicht mehr bedient, könnte der Rettungsschirm die bisherigen Hilfskredite sofort fällig stellen. Nach Einschätzung von Ökonomen ist das aber nur eine theoretische Gefahr, weil dies unweigerlich die Staatspleite Griechenlands auslösen würde.
Troika: In der Euro-Schuldenkrise wurde der Begriff für das Trio aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission gebraucht. Sie kontrollieren die verlangten Reformfortschritte. Im Euro-Krisenland Griechenland ist die Troika deswegen zum Feindbild geworden. In seinem Schreiben an die Eurogruppe spricht Athen nun von "Institutionen". Auch die Europartner wollen das Wort "Troika" nicht mehr verwenden. In offiziellen Dokumenten war ohnehin nie die Rede von der "Troika".