In Kanada ist zum ersten Mal eine Videoaufzeichnung eines Verhörs im US-Gefangenenlager Guantanamo veröffentlicht worden. Die Anwälte des Häftlings Omar Khadr gaben die Bilder heraus, die zeigen, wie der damals 16-Jährige von einem kanadischen Geheimdienstbeamten verhört wird. Er ist der jüngste Gefangene im US-Lager auf Kuba.
Das insgesamt siebenstündige Verhör zeigt Khadr, wie er sein orangefarbenes Hemd hochzieht, um den Ermittlern die ihm zugefügten Wunden zu zeigen. Zehn Minuten lang weint der Junge, das Gesicht in seinen Händen verborgen. Zeitweise wirkt er ruhig, dann wieder resigniert und verzweifelt. "Hilf mir, töte mich", schluchzt er mehrmals. Alles in allem zwar erschütternde aber beileibe keine schockierenden Bilder.
"Diese Szenen sind nicht vergleichbar mit den Dingen, die wir aus Guantanamo kennen", sagt Ben Wizner von der US-Bürgerrechtsunion ACLU, der Khaled el Masri verteidigt hatte, stern.de. Dabei seien genau die Details interessant, die das Video eben nicht zeige. "Ich kann nicht sagen, ob auch Gewalt oder Missbrauch gefilmt wurde", so Wizner, "die US-Regierung aber wird das Video als Bestätigung dafür nehmen, dass auf der kubanischen US-Basis nicht gefoltert werde." Viele andere Videos, die mutmaßliche Missbrauchsszenen zeigen, seien verschwunden oder zerstört worden, so der Bürgerrechtler.
Omar Khadr, mittlerweile 21 Jahre alt, wurde 2002 als 15-Jähriger gefangen genommen. Während des Verhörs, das von einer versteckten Kamera aufgezeichnet wurde, berichtet er, er sei im US-Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan gefoltert worden. Außerdem wirft er den USA vor - allerdings nicht im Video zu sehen -, dass er in afghanischer Haft, vergewaltigt worden sei. Außerdem sei er gezwungen worden, als "menschlicher Mopp" seinen eigenen Urin aufzuwischen.
Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums wies die Anschuldigungen zurück. Khadr sei nicht misshandelt worden. "Unsere Politik ist es, Insassen menschlich zu behandeln. Khadr ist menschlich behandelt worden", so der Sprecher. "Das ist nur die Standardantwort der US-Regierung für solche Fälle", so Wizner.
Khadr schon mit zehn Jahren auf US-Terrorliste
Khadr wurde in Kanada geboren und ist kanadischer Staatsbürger. Schon im zarten Alter von zehn Jahren ist er auf die Terrorliste der Vereinigten Staaten gerutscht. Damals war sein Vater Ahmad Said Khadr, ein hochrangiges Mitglied der al Kaida, mit seiner Familie 1996 von Peschawar ins afghanische Dschalalabad gezogen. Dort hatte Omar offenbar ein Ausbildungscamp des Terrornetzwerks durchlaufen. Ende Juli 2002 soll er amerikanische Soldaten beschossen, und mit einer Granate den amerikanischen Oberfeldwebel Christopher Speer getötet haben, so die Version der US-Ankläger. Im Februar 2006 hatte Speers Witwe den Vater angeklagt und Entschädigung in Höhe von 102,6 Millionen Dollar erstritten.
Die Anwälte, die das Video jetzt an die Sender CNN und BBC weitergeben haben, hatten die Freigabe vor einem kanadischen Gericht erstritten. "Auch wenn die Kanadier unter starkem Druck aus Washington stehen", so Wizner, "sind sie offensichtlich gewillt, die allgemeinen Vorwürfe gegen die US-Regierung eher objektiv zu betrachten." Khadrs Verteidiger wollen die Aufzeichnungen im bevorstehenden Prozess gegen ihn vor einem Sondergericht als Beweis für den Druck verwenden, unter dem ihr Mandant seinerzeit gestanden habe.
"Alles geht seinen rechten Gang
Ob es ihm hilft, ist allerdings zweifelhaft. Ben Wizner war bereits bei einigen Vorverhandlungen in Guantanamo dabei. Auch wenn sie auf den ersten Blick wie normale Verhandlungen wirkten, so der Bürgerrechtler, mit einem Richter, Anwälten und Anklägern, seien sie ein abgekartetes Spiel. "Eine potemkinsche Verhandlung, die der Welt, aber vor allem den Bürgern der USA zeigen soll, dass alles seinen rechten Gang geht."