Kommt neben dem Brexit-Ärger noch weiteres Ungemach auf den britischen Premierminister Boris Johnson zu? Der Regierungschef sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, eine Journalistin sexuell belästigt zu haben.
Charlotte Edwardes von der renommierten "Sunday Times" berichtete, dass Johnson sie bei einem gemeinsamen Mittagessen vor rund 20 Jahren begrapscht habe. Sie habe damals als Reporterin für das Politmagazin "The Spectator" gearbeitet und sei dort wiederholt Zeugin der "Hinterzimmerunfälle der politischen Klasse" geworden., schrieb die heute 45-Jährige. Herausgeber der Zeitschrift zu jener Zeit: Boris Johnson, damals Ende 30 und seit 1993 verheiratet.
Boris Johnson ließ Vorwurf zurückweisen
Bei dem Essen mit mehreren Teilnehmern habe sie zur Rechten ihres Vorgesetzten gesessen, es sei "viel Wein" geflossen. "Unter dem Tisch spüre ich Johnsons Hand auf meinem Oberschenkel. Er drückt ihn", beschreibt die Journalistin. "Seine Hand ist weit oben an meinem Bein, er hat mein Fleisch zwischen seinen Fingern, sodass ich plötzlich aufrecht sitzen muss." Gewehrt habe sie sich nicht. "Das ist Arbeit, also schweige ich", seien ihre Gedanken gewesen. Im späteren Gespräch mit Johnsons Sitznachbarin zur Linken habe diese gesagt: "Oh Gott, er hat mir genau dasselbe angetan."
Aus 10 Downing Street, dem Amtssitz des britischen Premiers, hieß es von Seiten eines Regierungssprechers: "Die Behauptung ist falsch."
Eine Aussage, der Charlotte Edwardes entschieden widerspricht: "Wenn sich der Premierminister nicht an den Vorfall erinnern kann, dann habe ich eindeutig ein besseres Gedächtnis als er", legte sie nach.
Unerwartete Schützenhilfe erhielt die Journalistin von Johnsons Gesundheitsminister Matt Hancock. Er erklärte in einem Interview, er "kenne sie und wisse, dass sie glaubwürdig ist". Ex-Arbeitsministerin und Johnson-Kritikerin Amber Rudd pflichtete Hancock per Twitter bei: "Ich stimme ihm zu."
Von der Labour-Sprecherin für Frauen und Gleichstellung kamen drastische Worte in Richtung Johnson. Die Schilderung von Edwardes sei eine "schockierende, aber leider allzu vertraute Geschichte", schrieb sie bei Twitter. "Boris Johnson muss ernste Fragen beantworten."
Boris Johnson hat indes noch mit einem weiteren Vorwurf zu kämpfen. Es geht um einen möglichen Amtsmissbrauch in seiner Zeit Bürgermeister von London (2008 bis 2016). Er habe nichts zu erklären gehabt, sagte er auf die Frage des BBC-Moderators Andrew Marr, ob er seine Freundschaft zu der amerikanischen Geschäftsfrau Jennifer Arcuri angegeben hatte, als diese Fördergelder von der Stadt London erhielt. Die Stadtverwaltung hatte den Fall zur Prüfung an die Polizeiaufsicht weitergeleitet, sie soll nun entscheiden, ob ermittelt wird.
Quellen: "Sunday Times", 4 News, "Huffington Post", Nachrichtenagentur DPA