Interview "Bush wird bleiben, was er ist"

Kritiker der Wahl des US-Präsidenten erwarten in den USA einen Rechtsruck wie nie zuvor. Im stern.de-Interview erklärt der amerikanische Europa-Experte Daniel Hamilton, warum er das anders sieht.

Professor Hamilton, am Tag nach seiner Wiederwahl hat US-Präsident Bush angekündigt, die Spaltung Amerikas überwinden zu wollen. Wie glaubhaft ist dieses Angebot?

George W. Bush hat die Wahl gewonnen, weil er seine Anhänger mobilisiert hat, und nicht, weil er sich als Mann der Mitte präsentiert hat. Auf der anderen Seite ist ebenso wenig damit zu rechnen, dass die religiösen Rechte, die gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen ist, die Politik des Präsidenten mehr beeinflussen wird als bisher. Bush weiß, dass die moderaten Republikaner ein allzu konservatives Programm nicht mittragen werden. Zudem haben die Demokraten nach wie vor die Möglichkeit, republikanische Gesetzesinitiativen im Senat zu stoppen. Dort ist nämlich nicht die einfache, sondern die gestaltende Mehrheit entscheidend und die liegt bei 60 Stimmen. Die Republikaner verfügen trotz ihres Triumphs nur über 55 Sitze.

Professor Dr. Daniel Hamilton

Professor Dr. Daniel Hamilton ist der Direktor des Zentrums für transatlantische Beziehungen an der Johns-Hopkins-Univerität in Wahington D.C. Zugleich ist er der Direktor des EU-Zentrums Washington D.C., einem Konsortium amerikanischer Universitäten zu EU-Studien.

Eigentlich hätten die Umstande für die Demokraten nicht besser sein können: Tägliche Schreckensmeldungen aus dem Irak, der Arbeitsmarkt stagniert und das Budgetdefizit erreicht Rekordhöhen. Und dennoch lag John Kerry am Ende mehr als 3,5 Millionen Stimmen hinter Bush. Gibt es nach dem 11. September in den USA eine strukturelle Mehrheit für die Republikaner?

Nein, dass wäre übertrieben, denn entscheidend sind die Bundesstaaten, die die Kandidaten gewinnen. Hier hat Kerry das Rennen nur sehr knapp verloren. 150.000 Stimmen mehr in Ohio - und er wäre der nächste Präsident der USA geworden. Vielleicht hätten die Demokraten Bush geschlagen, wenn sie an Stelle von John Edwards einen hispanisch-stämmigen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten nominiert hätten. Bill Richardson beispielsweise, der Gouverneur von New Mexiko ist, und so im Süden des Landes einen größeren Teil der hispanischen Bevölkerung hätte mobilisieren können.

Wie wird sich die Wiederwahl Bushs auf das transatlantische Verhältnis auswirken? Wird Bushs Wiederwahl die Integration Europas vorantreiben?

Die Europäer sollten aufhören, die USA als Ausrede für das Scheitern ihrer bisherigen Integrationsbemühungen zu benutzten.

Doch beide, sowohl Europäer als auch Amerikaner, sind daran interessiert, zu einer normalen Arbeitsbeziehung zurückzukehren. Bush und die Europaeischen Regierungschefs wollen eine transatlantische Agenda ausarbeiten, die sich auf Wirtschaftinitiativen und Maßnahmen rund um den Heimatschutz konzentriert.

Ein nennenswertes Engagement der Europäer erwarte ich jedoch nicht. Die Frage wird auch sein, ob sich die neue Bush-Administration den diplomatischen Bemühungen der Europäer in der Krise um das mögliche Nuklearprogramm des Iran anschließt. Und dann sehe ich da noch die Möglichkeit für gemeinsame Initiativen im Nah-Ost-Friedensprozess. Arafats Tod würde Bush die Möglichkeit eröffnen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, ohne das Gesicht zu verlieren.

Moritz Koch, Wahington