Iran Rücktritt von Chatami gefordert

Die Studenten-Proteste gegen das fundamentalistische System im Iran dauern an. Gefordert wird, dass Präsident Mohammed Chatami zurücktritt und alle politischen Dissidenten freigelassen werden.

Bei den anhaltenden Protesten gegen die iranische Führung hat die Polizei am Montag in der Hauptstadt Teheran mindestens 30 Menschen festgenommen. Der Teheraner Polizeichef General Morteza Talaie begründete die Festnahmen nach Angaben der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA mit "Rowdytum". So nennt die Regierung politische Proteste nicht-studentischer Gruppen, die beschuldigt werden, "Söldner" der USA zu sein. Damit ist die Gesamtzahl der Festnahmen nach offiziellen Angaben auf mindestens 140 gestiegen. Darunter sind nach Polizeiangaben keine Studenten.

Die Polizei gab die Zahl der Studenten, die während der seit Tagen andauernden Proteste in Iran verletzt worden seien, mit 12 an und bestritt Berichte, in denen von 50 Verletzten die Rede war.

Proteste gegen den Präsidenten und die Justiz

Am Sonntagabend hatte es erneut Studentenproteste gegen die Führung der islamischen Republik gegeben. Die Studenten-Nachrichtenagentur ISNA berichtete, in der Stadt Mesched im Osten Irans hätten rund 2000 Menschen demonstriert. Die Teilnehmer der Kundgebung hätten den Rücktritt von Präsident Mohammed Chatami und die Freilassung aller politischen Dissidenten gefordert.

Auch im Teheraner Stadtbezirk Pars hätten etwa 200 junge Leute an einer Protestkundgebung teilgenommen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur riefen sie Parolen gegen Chatami, den Obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei und das Oberhaupt der Justiz, Ajatollah Haschemi Scharudi. Als die Polizei versuchte, die Demonstration aufzulösen, sei es zu Zusammenstößen gekommen. Ob es erneut Festnahmen gab, war noch unklar.

Schüsse in der Nähe eines Studentenwohnheims

Ein Reuters-Korrespondent berichtete von Schüssen, die in der Nähe eines Teheraner Studentenwohnheims zu hören gewesen waren. Radikal-islamische Gruppen patrouillierten in den Straßen in der Nähe der Universität. Einige ihrer Mitglieder waren mit Sturmgewehren bewaffnet und trugen kugelsichere Westen. In den Straßen drängten sich Autos von Menschen, die an den Demonstrationen teilnehmen wollten. Das Universitätsgelände ist das Zentrum der jüngsten Proteste in Teheran. Am Samstag hatten radikal-islamische Gruppen demonstrierende Studenten attackiert.

"Ich habe sehr deutlich drei Gewehrschüsse gehört", sagte der Korrespondent. "Unmittelbar nach den Schüssen sprangen einige der Extremisten auf ihre Motorräder und fuhren in die Richtung, aus der die Schüsse kamen".

ISNA-Chefredakteur von Polizei verprügelt

Unter Berufung auf den Polizeidirektor Mohammed-Baker Kalibaf meldete ISNA, in den vergangenen drei Tagen seien 109 Demonstranten festgenommen worden. Der Polizeidirektor entschuldigte sich dafür, dass auch der ISNA-Chefredakteur am Donnerstag bei einer Demonstration von Polizisten verprügelt wurde. Bei den turbulenten Einsätzen könnten die Beamten nicht immer zwischen Demonstranten und Journalisten unterscheiden.

Es war die sechste Nacht in Folge der Proteste, die sich sowohl gegen den herrschenden islamischen Klerus als auch gegen den gemäßigten Präsidenten Mohammad Chatami richten. Die Demonstranten fordern mehr Demokratie und individuelle Freiheit.

Ein Demonstrant getötet

Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Anhängern der konservativen geistlichen Führung in Iran ist laut Medienberichten ein Demonstrant getötet worden. Die Justiz ging am Wochenende sowohl gegen die Demonstranten als auch gegen militante Regime-Anhänger vor: Am Sonntag ließ die Regierung drei führende Aktivisten der Protestbewegung und einen Studenten verhaften. Zuvor waren überraschend militante Konservative festgenommen worden, die in Teheran mehrere Studentenwohnheime gestürmt hatten.

Der Demonstrant starb der Zeitung "Nasim-e-Saba" zufolge, nachdem er am Freitag in der Stadt Schiras von Bürgerwehren angegriffen worden war. Die konservative iranische Justiz ließ drei bekannte Aktivisten und einen Studenten verhaften, die sie für die Organisation der tagelangen Protestkundgebungen im ganzen Land verantwortlich macht. Mohsen Sasegara und sein Sohn Wahid wurden am Sonntag ins Gefängnis abgeführt, Resa Alidschani und Taki Rahmani bereits am Samstag, wie ihre Familienangehörigen mitteilten.

Anhänger der geistlichen Führung festgenommen

Zuvor waren nach Berichten des staatlichen Rundfunks Dutzende von militanten Anhängern der geistlichen Führung festgenommen worden. Damit wollte sich die ebenfalls von Hardlinern kontrollierte Justiz nach Ansicht von Beobachtern der Kritik entgegenstellen, sie decke die Gewalt von Gefolgsleuten des Klerus. Der Rundfunk meldete, die Festgenommenen würden für Angriffe auf Studentenwohnheime in Teheran verantwortlich gemacht. Studenten hatten berichtet, dass Anhänger des geistlichen Führers Ayatollah Ali Chamenei ihre Schlafsäle gestürmt und mehrere Bewohner festgenommen hätten. Mehr als 50 Studenten seien verletzt worden, zwei Dutzend seien seit dem Überfall verschwunden.

Wie Radio Teheran berichtete, ist unter den verhafteten Angreifern ein Mann, der vor zwei Jahren einen Berater des reformorientierten Präsidenten Mohammed Chatami angeschossen hatte. Bislang waren Justiz und Polizei kaum gegen die militanten Bürgerwehren eingeschritten. Die Übergriffe in Teheran am Freitag stellten jedoch einen neuen Höhepunkt dar. Vor dem Überfall auf die Studentenwohnheime waren die selbst ernannten Sicherheitskräfte mit Knüppeln und Messern auf Demonstranten und Schaulustige losgegangen.

Krawalle in vielen Landesteilen

Am Samstagabend kam es auch in der Ortschaft Gohardascht westlich von Teheran zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Bürgerwehren, die erst nach einigen Stunden von der Polizei beendet wurden, wie ein Anwohner berichtete. Mehrere Dutzend Menschen seien verhaftet worden, hauptsächlich junge Mädchen. Auch aus weiteren Städten wurden am Wochenende Zusammenstöße und Dutzende Festnahmen gemeldet.

Washington fordert Freilassung von Studenten

Die US-Regierung kritisierte das Vorgehen gegen die Demonstranten scharf. Sie rief die konservative Führung am Samstag auf, "die Stimme des iranischen Volkes und dessen Hoffnungen auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit" anzuhören. Angesichts der Berichte über Festnahmen und Angriffe auf Studenten zeigte sich das Weiße Haus alarmiert. Die iranische Führung wurde aufgefordert, die festgenommenen Studenten freizulassen und die Menschenrechte zu schützen. Teheran wies die Kritik aus Washington als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück