Das politische Kartenhaus des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon ist am Mittwoch im Streit um die Finanzierung religiöser Einrichtungen eingestürzt. Nach Monaten des Taktierens, in denen oft nur die oppositionelle Arbeitspartei die Regierung vor der Niederlage bewahrt hat, kündigte Scharons größter Koalitionspartner - die bürgerlich-säkulare Schinui-Partei - ihm bei einem Parlamentsvotum über den Haushalt für das kommende Jahr die Gefolgschaft auf. Die Zeichen stehen jetzt auf große Koalition.
Scharon entließ noch am Abend vier Minister der Schinui-Partei aus ihren Ämtern. Die Dokumente dazu hätten schon vor der Abstimmung bereit gelegen, erklärten Mitarbeiter Scharons. Der Regierungschef habe den Fall seiner Regierung bewusst in Kauf genommen, weil er das Blatt für eine neue politische Runde bereits in der Hand halte.
Um alles oder nichts
So wussten die Minister, dass es in dem Streit um Staatsgelder für die Institutionen ultra-orthodoxer Juden um alles oder nichts ging. Scharon beabsichtigt, Institutionen der Partei Vereinigtes Tora- Judentum umgerechnet mehr als 40 Millionen Euro zugestehen. Im Gegenzug wurde eine Zustimmung der Partei zum Haushalt erwartet, auf die der Ministerpräsident dringend angewiesen war.
"Wir werden uns nicht dem Terror der Ultra-Orthodoxen (Haredi) beugen", hatte jedoch der Schinui-Vorsitzende, Josef Lapid, erklärt. Für Schinui geht es um Prinzipien, die sich die Partei auf die Fahne geschrieben hat. Vor allem hatte Lapid zugesagt, er wolle Erpressung der Regierung aus den Reihen der religiösen Kräfte verhindern.
Klare Mehrheit für säkulare große Koalition
"Wir vergießen wegen einer Niederlage bei der Abstimmung über den Haushalt keine Träne", sagte dagegen ein Scharon-Berater der Tageszeitung "Jediot Achronot". Sein Regierungschef weigerte sich, die Parlamentssitzung zu verschieben, um hinter den Kulissen der Koalition Wege zu einer Einigung zu finden. "Der Ministerpräsident will seiner Likud-Fraktion zeigen, dass es keine andere Wahl gibt, als die Regierung zu erweitern und eine große Koalition zu bilden", sagte ein Berater. Denn gegen eine Koalition mit der Arbeitspartei gibt es in Scharons Likud starken Widerstand.
Für eine solche Regierung spricht aber die Stimmung in der israelischen Bevölkerung. In einer am Mittwoch veröffentlichten Meinungsanalyse sprachen sich nur 27 Prozent der Befragten für vorzeitige Wahlen aus. Eine klare Mehrheit ist für eine säkular orientierte große Koalition. Bei Neuwahlen könnte Scharons Likud- Partei aber sogar noch auf Stimmenzuwachs hoffen, während die Schinui-Partei an den Wahlurnen der Verlierer wäre.
Carsten Hoffmann, DPA