Nach fünf Jahren im Krankenhaus Koma-Patient Scharon verbringt 48 Stunden zu Hause

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion ist Israels Ex-Regierungschef Ariel Scharon aus einem Krankenhaus auf seine Ranch verlegt worden. Seit knapp fünf Jahren liegt der 82-Jährige im Koma. Die Polizei sollte vor allem eines sicherstellen: keine Fotos von Patient Nummer 1.

Alles glich einer geheimen Kommandosache. Mitarbeiter vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet riegelten den Eingang des Sheba-Krankenhauses von Tel Haschomar sorgfältig ab. Eilig aufgestellte Wände sollten nach Angaben des Onlinedienstes ynet.com Unbefugte daran hindern, etwas zu sehen oder gar ein Foto vom prominentesten Patienten des Landes zu machen. Um 06.30 Uhr, als die meisten Israelis am arbeitsfreien Freitag noch schliefen, brachte ein Krankenwagen Israels Ex-Regierungschef Ariel Scharon zurück auf dessen Ranch in der Negev-Wüste.

Nach einem Schlaganfall liegt Scharon seit dem 4. Januar 2006 im Koma. Niemand - bis auf Angehörige, Ärzte und Pflegepersonal - weiß, wie der einst so bullige Ex-General heute aussieht. Deshalb war der Termin für die Verlegung auch ein gut gehütetes Staatsgeheimnis.

Jetzt hat Scharon erstmals seit fast fünf Jahren sein Krankenhausbett verlassen. Die Ärzte nennen es Heimaturlaub. "Er wird in 48 Stunden zurückkommen. Wir werden mehrere solcher Tests machen und sehen, ob alles in Ordnung geht", sagt der Sprecher des Krankenhauses, Amir Marom, auf Anfrage.

Erst danach soll dann endgültig entschieden werden, ob der 82-Jährige in die Obhut und Pflege seiner beiden Söhne Omri und Gilad übergeben wird. Dann könnte auch ein bizarrer Streit zwischen der Scharon-Familie, dem Krankenhaus und einer Bürgergruppe zu Ende gehen.

Vor zwei Jahren fragte das Krankenhaus erstmals bei den Söhnen an, ob sie ihren Vater nicht besser zu Hause auf der Ranch versorgen wollen. "Das Krankenhaus dachte, dass dies medizinisch möglich ist", sagt der Sprecher. "Die Familie glaubte aber, dass es für ihn (Scharon) im Krankenhaus sicherer sei. Heute versteht sie, dass es möglich ist, zu Hause unter den gleichen Bedingungen (wie im Krankenhaus) für ihn zu sorgen."

Die Scharon-Familie hat nach Medienberichten sowohl die notwendige medizinische Ausrüstung gekauft als auch Pflege- und Sicherheitspersonal eingestellt. Der Finanzausschuss des israelischen Parlaments bewilligte in dieser Woche weitere 1,6 Millionen Schekel (320 000 Euro) für die Pflege des Ex-Ministerpräsidenten.

Scharon liegt seit Mai 2006 allein in einem Doppelzimmer im Sheba-Krankenhaus. Jeweils eine Krankenschwester sei rund um die Uhr im Einsatz gewesen, berichtete die Tageszeitung "Haaretz". Darüber hinaus hätten Sicherheitskräfte das Zimmer bewacht. Auch Überwachungskameras seien installiert worden.

Und genau an diesen Vorkehrungen stieß sich Ometz - eine israelische Organisation, die sich für Bürgerrechte einsetzt. Ometz vertritt die Interessen von Familien, die angeben, dass ihre Angehörigen wegen Scharon nicht behandelt werden konnten. Weil es nur 17 Betten auf der Station gebe, betrage die Wartezeit drei Monate, heißt es. Ometz pochte darauf, dass in einem staatlichen Krankenhaus alle Bürger bei der medizinischen Versorgung gleich sein müssten. Mit ihrem Vorgehen machte sich die Bürgergruppe nicht nur Freunde.

Scharon hatte seine bei Sderot gelegene Ranch immer geliebt und vor allem auch als Rückzugsgebiet von der Politik geschätzt. Hier empfing er bis zu seinem Schlaganfall auch Politiker und Staatsgäste. Von 2001 bis 2006 war Scharon Ministerpräsident. Zur Zeit seiner Erkrankung stand er im Zenit seiner Macht und Popularität in Israel.

Allerdings scheiden sich an dem Ex-General mit dem Spitznamen "Bulldozer" bis heute die Geister. Die einen verehren ihn als Kriegshelden. Für andere ist sein Name mit dem Massaker von 1982 im palästinensischen Flüchtlingslager Sabra und Schatila im Libanon verbunden. Scharon musste damals als Verteidigungsminister zurücktreten. Der bis heute polarisierende Ex-Politiker steht aber auch für den Abzug aus dem Gazastreifen vor fünf Jahren.

Hans Dahne, DPA (mit APN)