Israel Mit gutem Gewissen ins Gefängnis

Offiziere, Wehrdienstleistende und Reservisten der israelischen Armee verweigern immer öfter den Dienst in den palästinensischen Gebieten. Jetzt sind wieder fünf junge Männer zu Gefängnisstrafen verurteilt worden.

Fünf junge Männer haben in dieser Woche ihre Haft im Gefängnis Karmel angetreten, weil sie den Kriegsdienst im Westjordanland oder im Gazastreifen ablehnen. Sie wurden vor Gericht nicht als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anerkannt und müssen jetzt für ein Jahr ins Gefängnis. Die offenbar wachsende Neigung zur Kriegsdienstverweigerung wirft ein Schlaglicht auf die öffentliche Meinung in Israel, die in der Beurteilung des Konflikts mit den Palästensern tief gespalten ist.

"Am meisten habe ich Angst vor der verlorenen Zeit", sagte einer der fünf Kriegsdienstverweigerer, der 20-jährige Noam Bahat, "Zeit, in der ich nicht studieren und für ein Ende der Besetzung kämpfen kann." Seit Beginn des gegenwärtigen Aufstands der Palästinenser haben erst sechs junge Israelis den Kriegsdienst mit der Begründung verweigert, dass sie das Vorgehen in den besetzten Gebieten nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten. Sehr viel mehr aber haben sich mit anderen Begründungen dem Eintritt in die Armee entzogen. Auch sind mehrere hundert Reservisten ins Gefängnis gegangen, weil sie den Dienst in den palästinensischen Gebieten abgelehnt haben. Zahllose andere haben stillschweigende Vereinbarungen mit ihren Kommandeuren getroffen, dass sie nur auf israelischem Territorium zum Einsatz kommen.

Sechs Kriege in der 56-jährigen Geschichte Israels

Sechs Kriege in der 56-jährigen Geschichte des Staates Israel haben dazu geführt, dass der Verteidigungspatriotismus in der großen Mehrheit der nahezu sieben Millionen Einwohner tief verwurzelt ist. Die meisten gehen mit 18 Jahren bereitwillig zum Wehrdienst, der für Männer drei Jahre und für Frauen 21 Monate dauert. Die Reservistenzeit endet meist mit dem 40. Lebensjahr. Kriegsdienstverweigerung in den palästinensischen Gebieten ist für die Streitkräfte denn auch ein relativ neues Problem; erst im vergangenen Jahr sorgte die Dienstverweigerung durch eine Gruppe von Luftwaffenpiloten für großes Aufsehen.

Regierung und Streitkräfte erklären, dass der Einsatz nötig ist, um Terroranschläge zu stoppen. Seit Beginn des Aufstands vor drei Jahren kamen 905 Israelis ums Leben, die Hälfte von ihnen bei Selbstmordanschlägen. Aber in Meinungsumfragen befürwortet konstant etwa die Hälfte der Bevölkerung einen Verzicht auf das Westjordanland und den Gazastreifen, um eine Friedenslösung zu erreichen.

Ein Jahr mit Putz- und Kochdiensten verbracht

Bahats Mutter Amira sorgt sich, dass ihr Sohn im Gefängnis unter der Kälte leiden wird. Seine Daunendecke darf er nicht mit in die Zelle nehmen. Aber Noam Bahat kennt schon die Haftzeit - seit seinem Einberufungstermin im Dezember 2002 hat er etwa ein Jahr mit Putz- und Kochdiensten in der Kaserne verbracht, während ein Militärgericht über seinen Fall beriet. Das Urteil befand, dass sie die israelische Politik mit undemokratischen Mitteln verändern wollten und keinen Anspruch auf eine Anerkennung von Gewissensgründen hätten.

Zu den Büchern, die Bahat beim Packen für die Zelle mit einsteckte, gehört auch die kürzlich in Genf unterzeichnete Friedensdeklaration israelischer und palästinensischer Politiker. Das Absitzen der Haftzeit sei kein so hoher Preis, sagt er. "Jeden Tag werden Soldaten und Palästinenser getötet. Der einzige Weg, das zu stoppen, ist ein Ende der Besetzung."

Bahats älterer Bruder dient in einer Kampfeinheit. Ihr Vater Udi Bahat will keinen seiner Sohn verurteilen. Jeder von ihnen, sagt er, habe die persönlich richtige Entscheidung getroffen, um einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten.

Alon Bernstein