ISRAEL Palästinenser üben Vergeltung

Als Reaktion auf den israelischen Luftangriff am Dienstagmorgen haben militante Palästinenser vier Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Der Luftangriff kostete 15 Menschen das Leben.

Militante Palästinenser haben am Dienstagabend aus dem Gazastreifen vier selbst gebaute Raketen vom Typ Kassam auf israelisches Gebiet abgefeuert. Die Geschosse seien außerhalb der Stadt Sderot eingeschlagen, ohne größeren Schaden anzurichten, teilte ein Armeesprecher am Abend mit. Der Raketenbeschuss war die erste Reaktion der Palästinenser auf einen israelischen Luftangriff vom Dienstagmorgen, bei dem ein F-16 Kampfflugzeug einen Wohnblock in Gaza zerstörte und dabei 15 Menschen tötete. Fast 150 Hausbewohner wurden verletzt. Ziel des Angriffs war der Führer des bewaffneten Arms der radikalen Hamas-Bewegung Salach Schehade, der zusammen mit seiner Frau und drei seiner Kinder bei dem Angriff ums Leben kam. Insgesamt waren unter den Getöteten neun zum Teil erst wenige Monate alte Kinder.

»Grobschlächtige Aktion«

Der Luftangriff stieß international auf scharfe Kritik. Der Sprecher des Weißen Hauses in Washington verurteilte die »mit harter Hand geführte« Aktion uneingeschränkt. »Dies war ein bewusster Angriff auf die Gebäude«, sagte Sprecher Ari Fleischer, bei dem Israel gewusst habe, dass die Aktion das Leben Unschuldiger fordern werde. Präsident George W. Bush habe den israelischen Angriff als »grobschlächtige« Aktion einstuft, die nicht zum Frieden beigetragen habe. Diese Haltung sei dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon vermittelt worden.

Israel in der Kritik

UN-Generalsekretär Kofi Annan betonte, Israel sei »rechtlich und moralisch verpflichtet, alles zu tun, um den Verlust unschuldigen Lebens zu vermeiden. Mit dem Einsatz einer Rakete gegen ein Wohnhaus hat es dieser Verpflichtung klar zuwider gehandelt.«

Inakzeptables Vorgehen

Bundesaußenminister Joschka Fischer sprach von einem »inakzeptablen Vorgehen« und bedauerte, dass unschuldige Menschen, vor allem auch Kinder, ums Leben gekommen seien. Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, kritisierte die »unrechtmäßige Tötungsaktion«, die »zu einem Zeitpunkt (kommt), zu dem Israelis und Palästinenser sehr ernsthaft an der Eindämmung der Gewalt und der Wiederherstellung kooperativer Sicherheitsvereinbarungen arbeiteten«. Auch Frankreich und Russland reihten sich in die Reihen der Kritiker ein. In Israel stieß die Aktion der Armee auf Kritik von beiden Enden des politischen Spektrums. Oppositionsführer Jossi Sarid sagte, Schehade habe zwar »den Tod verdient«. Es sei dem Staat Israel jedoch verboten, Unschuldige zu treffen. Der ultrarechte Abgeordnete Benny Elon (Moledet) nannte die Tötung Schehades gerechtfertigt, meinte jedoch, Israel hätte den Tod Unschuldiger vermeiden müssen.

Trauerzug durch Gaza

Israelische Regierungsvertreter begrüßten hingegen die Liquidierung Schehades, drückten jedoch gleichzeitig ihr Bedauern über den Tod unschuldiger Zivilisten aus. Scharon sprach von einem der »größten Erfolge« der Armee. Angesichts der jetzt zu erwartenden palästinensischen Vergeltungsanschläge rief er die israelische Bevölkerung zu Wachsamkeit auf. Alle radikalen Palästinensergruppen schworen nach dem Angriff blutige Vergeltung. Die Autonomiebehörde kündigte an, sie werde den israelischen Angriff vor den neuen Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bringen. Mehr als hunderttausend aufgebrachter Palästinenser begleiteten die Getöteten am Nachmittag auf dem Trauerzug durch Gaza. Palästinenserpräsident Jassir Arafat sprach von einem »Massaker und schrecklichen Verbrechen an unseren unschuldigen Kindern« und kündigte die Anrufung des Weltsicherheitsrates an. Arafat erklärte, er habe kurz vor einer Übereinkunft mit den Extremistengruppen über eine Einstellung der Anschläge auf Israelis gestanden. Diese sei jetzt jedoch hinfällig.

Fünf weitere Tote am Dienstag

Am Dienstag wurden bei weiteren gewalttätigen Zwischenfällen im Gazastreifen und im Westjordanland fünf Palästinenser getötet. Die israelische Armee vereitelte unterdessen nach eigenen Angaben einen neuen Selbstmordanschlag in Israel durch die Festnahme des mutmaßlichen Attentäters.