Israel Schlinge um den Hals

Trotz internationaler Proteste baut Israel weiter an einem Sperrzaun, der palästinensisches Gebiet von Israel abtrennen soll. Jetzt wurde ein acht Meter hohes Teilstück mitten durch ein arabisches Viertel in Jeruslem errichtet.

Die Schajah-Straße am Rand von Jerusalem weckt Erinnerungen an das geteilte Berlin: Mitten auf der belebten Geschäftsstraße haben israelische Bauarbeiter am Montag eine acht Meter hohe Mauer errichtet. Denn das eine Ende der Straße gehört zu Jerusalem, das andere zur palästinensischen Ortschaft Abu Dis. Die Mauer ist Teil der Sperranlage zum Westjordanland, die Israel vor Selbstmordanschlägen schützen soll. Umstritten ist diese Absperrung überall - auf der Schajah-Straße aber zerreißt sie ein Viertel.

Weil die beiden Städte an dieser Stelle längst zusammengewachsen sind, fühlen sich viele Bewohner von Abu Dis Jerusalem zugehörig. Dort arbeiten sie, dort gehen ihre Kinder zur Schule, dort besuchen sie ihre Verwandten.

Der Wall ist unpassierbar

Ob dies in Zukunft noch möglich sein wird, ist ungewiss. Das israelische Verteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, wo Übergänge von einer Seite der Mauer auf die andere geschaffen werden - oder wie viele. Zunächst einmal ist der Wall unpassierbar, ihn zu umgehen wird selbst mit dem Auto eine halbe Stunde dauern. "Die Mauer ist eine endgültige Trennung. Man muss sich für eine Seite entscheiden", befürchtet der Gemüsehändler Siad Abu Rmeine, der in Abu Dis wohnt, sein Geschäft aber in Jerusalem hat.

Die Sperranlage

Seit letztem Jahr lässt die israelische Regierung eine höchst umstrittene Sperranlage errichten, die palästinensisches Gebiet von Israel abtrennen soll. Ziel soll es sein, das Eindringen von Selbstmordattentätern nach Israel zu verhindern. Das Vorhaben führte zu scharfen internationalen Protesten, die UN-Vollversammlung verurteilte den Bau in einer Resolution, und sogar der Bündnispartner USA warnte die israelische Regierung vor der Umsetzung ihres Vorhabens. Mittlerweile sind bereits 144 Kilometer des Zauns, der teilweise doppelt so hoch ist wie die Berliner Mauer, errichtet. Unter Missachtung der festgelegten Grenzen trennt der Zaun auch Teile des Westjordanlandes vom palästinensischen Autonomiegebiet ab.

Abu Dis ist für die Palästinenser von enormer symbolischer Bedeutung: Bei früheren Friedensverhandlungen wurde der Ort als mögliche Hauptstadt eines palästinensischen Staates vorgeschlagen, der Teile Ostjerusalems zugeschlagen werden sollten. In Abu Dis soll das palästinensische Parlament seinen Sitz haben, ebenso viele Regierungsbüros. Der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kureia lebt schon jetzt hier.

Die Hoffnung schwindet

Israel betonte bislang stets, im Falle eines Friedensabkommens könnte die Sperranlage verlegt werden. Trotzdem lässt die Mauer die Hoffnung auf eine Zusammenlegung von Abu Dis mit Teilen Jerusalems, das sowohl Israel als auch die Palästinenser beanspruchen, schwinden.

Zwar stand auf der Schajah-Straße schon lange eine Mauer, damit hatten sich die Anwohner aber arrangiert: Studenten, Arbeiter, Geschäftsleute in feinen Anzügen, ja sogar ältere Frauen kletterten tagtäglich über den zwei Meter hohen Wall. Als Stufen benutzten sie Kisten und große Steine, die am Fuße der Mauer bereit lagen.

Eine unüberwindliche Absperrung

Nachdem israelische Bautrupps die alte Mauer abgerissen und an ihrer Stelle acht Meter hohe Betonplatten in die Erde gerammt haben, ist Klettern aussichtslos. Die neue Mauer ist mehr als ein lästiges Hindernis, sie ist eine unüberwindliche Absperrung. "Sie ziehen die Schlaufe um unseren Hals zusammen", sagt Salah Bader von der Gemeindeverwaltung von Abu Dis.

Die außergewöhnliche Höhe von acht Metern - das ist doppelt so viel wie bei der Berliner Mauer - soll Jerusalem nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums vor Geschossen aus großer Entfernung schützen. Die alte, zwei Meter hohe Mauer "war gar nichts", sagte der zuständige Abteilungsleiter Nesah Maschiah der Nachrichtenagentur AP.

Vom Krankenhaus angeschnitten

Die Lieferanten von Gemüsehändler Rmeine reichten ihre Waren über die alte Mauer einfach hinweg - auch damit ist es nun vorbei. Da auch die Hälfte seiner Kunden aus Abu Dis kamen, sieht er seine Geschäftsgrundlage schwinden. Auch andere Anwohner fürchten um ihre Existenz: Der Handwerker Jasid Abu Hliel arbeitete bislang in Jerusalem. Neben seinem Arbeitsplatz sieht er den Verbleib seiner Kinder an einer Jerusalemer Schule in Frage gestellt. Auch vom wenige Minuten entfernten Krankenhaus jenseits der Mauer sind die Bewohner von Abu Dis vorerst abgeschnitten - in Notfällen müssen sie jetzt ins 25 Kilometer entfernte Jericho fahren.

Ravi Nessman