Manchmal folgen großen Worten tatsächlich große Taten. Als der gewählte, aber noch nicht vereidigte US-Präsident Joe Biden Anfang Dezember eine große Impfoffensive ankündigte, war die Skepsis groß. 100 Millionen Amerikaner sollten in seinen ersten 100 Amtstagen geimpft werden, versprach der Neue im Weißen Haus. Die Frist läuft am 30. April aus, doch schon jetzt ist klar: Biden wird sein eigenes Versprechen mehr als halten. Aktuell haben fast 70 Millionen US-Amerikaner ihre erste Impfung erhalten, mehr als 30 Millionen bereits ihre zweite. Bis Anfang Mai sollen Impfstoffe für alle Erwachsenen freigegeben sein.
"Dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei", sagte Biden bei seiner Rede zur Lage der Nation, prophezeite aber gleichzeitig, dass der Nationalfeiertag am 4. Juli wieder in kleinen Gruppen gefeiert werden könne. Zumindest solange sich die Menschen weiterhin an die üblichen Hygiene-Regeln halten. Und: Vermutlich werden bis zum Mai noch nicht alle Erwachsenen geimpft sein, aber zumindest werden sie dann einen Termin haben.
"Bidens Ziel ist realistisch"
"Dieses Ziel schien noch bis vor wenigen Monaten unerreichbar. Aber nun gibt es Gründe anzunehmen, dass es durchaus möglich ist", schreibt die US-Seite Vox.com dazu. Sie hat das vollmundige Versprechen des US-Präsidenten unter die Lupe genommen. Ergebnis: Selbst wenn das Impftempo auf dem aktuellen Niveau bleiben sollte, würden bis zum 1. Mai 130 bis 140 Millionen Amerikaner geimpft worden sein. Nach Angaben der zuständigen Behörde CDC werden täglich 2,2 Millionen Vakzindosen ausgegeben, das entspricht in den kommenden 50 Tagen mehr als 100 Millionen Impfungen.
Laut Vox.com gebe es Gründe anzunehmen, dass das Tempo noch einmal anzieht. "Die Pharmafirmen haben durchblicken lassen, dass sie bis Ende März drei Million Impfdosen pro Tag herstellen können. Sollten die Bundesstaaten in der Lage sein, diese Mengen auch zu verimpfen, dann wäre schon vor Mai bis zu 160 Million Amerikaner geimpft – fast zwei Drittel aller erwachsenen Bürger."
Trotz ihres grundsätzlichen Optimismus räumen die Faktenchecker aber auch ein, dass viele Umstände dazwischenkommen können: Lieferengpässe seitens der Hersteller, die zuständigen Behörden sind mit der Menge an Impfstoffen überfordert oder, was laut Vox.com am ehesten passieren könnte: die Zahl der Impfverweigerer nimmt wieder zu.
Die Lage in den USA hat auch handfeste Auswirkungen auf Europa. Der Grund für den späten Lieferstart des neu zugelassenen Vakzins von Johnson & Johnson sind unter anderem Zweifel, ob die USA die Ausfuhr dort abgefüllter Impfstoffe gestatten. Deshalb habe das Unternehmen nach eigenen Angaben die Lieferkette umgestellt, um das Land zu umgehen, wie die Nachrichtenagentur DPA schreibt.
USA will Impf-Überschuss teilen
Der Grund für die Unsicherheit liegt beim früheren US-Präsident Donald Trump. Der hatte einen Exportstopp für Corona-Impfstoffe verhängt, den sein Nachfolger Joe Biden nicht aufgehoben hat. Von diese Art des Egoismus profitieren die USA nun, das Land verfügt offenbar über ausreichende Mengen an Impfdosen. Der neue US-Präsident kündigte immerhin an: "Falls wir einen Überschuss haben, dann teilen wir ihn mit dem Rest der Welt."
Zusammen mit Indien, Japan und Australien haben die Vereinigten Staaten jetzt eine Impfallianz gegründet. Ziel: Bis 2022 bis zu eine Milliarde Impfdosen herstellen, vor allem um dem Impfstoff-Mangel in Südostasien entgegenzuwirken, wie es aus US-Regierungskreisen heißt. Wenngleich nicht explizit erwähnt, dürfte die Initiative auch eine Reaktion auf das chinesische Engagement bei der Verteilung von Impfstoffen in der Welt sein.