Das israelische Parlament hat nach zweitägiger Debatte den umstritten Abzugsplan von Ministerpräsident Ariel Scharon gebilligt. 67 der 120 Abgeordneten der Knesset stimmten am Dienstagabend für den Plan, der für das kommende Jahr die Räumung aller 21 jüdischen Siedlungen im Gazastreifen sowie von 4 der 120 Siedlungen im Westjordanland vorsieht. Dabei war Scharon auf Stimmen der Opposition angewiesen, da der Plan von Teilen seiner Likud-Partei abgelehnt wurde. Die US-Regierung begrüßte die Zustimmung des Parlaments. Diese eröffne "reale Chancen" für Fortschritte auf dem Weg zum Frieden im Nahen Osten, sagte Außenamtssprecher Kurtis Cooper in Washington.
Mit Ausstieg gedroht
Die Nationalreligiöse Partei und führende Minister von Scharons Likud-Block drohten nach der Abstimmung allerdings, sie würden aus der Koalition aussteigen, sollte der Regierungschef sich nicht innerhalb von 14 Tagen für eine Volksabstimmung über den Räumungsplan entscheiden.
Zwei Minister entlassen
Gleich nach der Abstimmung entließ Sharon einen Minister sowie einen Vize-Minister, die gegen seinen Plan gestimmt hatten. Israelische Medien berichteten, Usi Landau und Michael Ratzon hätten ihre Kündigungsbriefe direkt nach dem Votum erhalten. Scharon hatte zuvor gedroht, er werde jeden Minister entlassen, der gegen seinen Plan stimmt.
"Wir können nicht auf die Welt pfeifen"
Die Abgeordneten hatten vor der historischen Abstimmung bis zur letzten Minute heftig um den Abzugsplan gerungen. Im Namen Scharons warnte Transportminister Meir Schitrit von der Likud-Partei, Israel drohe die internationale Isolierung, sollte es sich nicht aus dem Gazastreifen zurückziehen. "Wir sind von der Welt abhängig, wir können nicht einfach auf sie pfeifen", betonte Schitrit.
Die Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, Dalia Izik, nannte den Abstimmungssieg Scharons einen "großen Tag für den Staat Israel". Auch die Arbeitspartei stützte den Räumungsplan. Aus Scharons Likud-Partei stimmten 23 Abgeordnete für und 17 gegen das Abzugsvorhaben. Die 11 Parlamentarier der strengreligiösen Schas-Partei stimmten kollektiv gegen den Plan. Die arabischen Abgeordneten enthielten sich.
Volksabstimmung gefordert
Zwei hochrangige "Rebellen" innerhalb von Scharons Likud, Finanzminister Benjamin Netanjahu und Erziehungsministerin Limor Livnat, stimmten zwar für den Plan, forderten von Scharon aber ultimativ eine Volksabstimmung. Anderenfalls wollten sie ihre Ämter niederlegen. "Wir wollen niemanden stürzen", sagte Netanjahu nach der Abstimmung. "Wir wollen nur einen tiefen Riss innerhalb des (israelischen) Volks verhindern."
Vor der Knesset hatten während der Debatte am Nachmittag etwa 15.000 Befürworter und Gegner des Abzugsplans demonstriert. In allen israelischen Siedlungen im Westjordanland und im Gazastreifen blieben die Schulen geschlossen, damit die Kinder und Jugendlichen an den Protestkundgebungen teilnehmen konnten.