Kongo Vergewaltigungen gehören zum Alltag

Fünf Jahre tobte ein blutiger Krieg im Kongo. Die Gewalt der Kriegsparteien richtete sich auch massiv gegen Frauen. Vergewaltigungen wurden als Waffe eingesetzt, um die Bevölkerung zu terrorisieren.

Hunderte von Frauen haben sich mitten in der kongolesischen Stadt Goma nackt ausgezogen. "Wenn Ihr uns nehmen wollt, dann tut es jetzt und hier! Vergewaltigt uns doch! Oder helft uns endlich!" Der provozierende Aufschrei der Frauen im März kam spät. Vergewaltigungen durch einen oder mehrere Täter gehörten im fünfjährigen Kongo-Krieg zum schrecklichen Alltag. Nach Schätzungen von Hilfsorganisationen wurde jede dritte erwachsene Frau im Kongo mindestens einmal vergewaltigt - deutlich mehr als in anderen Konflikten.

Schlimme innere Verletzungen

Angehörige verschiedener Milizen gingen oft so brutal vor, dass viele Frauen schlimme innere Verletzungen erlitten. Die Gewalt gegen Frauen wurde als Waffe eingesetzt, um die Bevölkerung zu terrorisieren. Seit die Kämpfe nach dem Friedensabkommen im vergangenen Dezember nachgelassen haben, machen sich mehr und mehr Frauen auf die häufig beschwerliche Reise zu einem Krankenhaus.

Diamanten im Kongo

Sie sind winzig, geruchlos und bringen richtig viel Geld. Diamanten sind ein perfektes Schmuggelgut. Kriegsparteien im Kongo haben mit dem Diamantenhandel einen Teil ihrer Waffen finanziert. Seit Ende vergangenen Jahres ist der Krieg offiziell beendet, doch der illegale Handel mit Diamanten und anderen Rohstoffen blüht weiter - und es kommt auch noch immer zu Massakern. UN-Experten sehen dort einen "Teufelskreis von Plünderungen, Waffenhandel und Kämpfen".

Die Demokratische Republik Kongo, die etwa so groß ist wie ganz Westeuropa, hat weltweit die größten Diamantenvorkommen. Auch Kupfer, Kobalt und Tropenhölzer zählen zu den Exportgütern. Doch die Bevölkerung hat bislang kaum von dem Reichtum profitiert. Vom belgischen König Leopold über den Diktator Mobuto Sese Seko bis zu den Nachbarländern Ruanda und Uganda haben alle versucht, das Geld in die eigene Tasche fließen zu lassen.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die skrupellose Ausbeutung der Rohstoffe. "Wer immer die Kontrolle über die Gold- oder Diamantenminen hat, setzt Zwangsarbeiter ein", sagt Anneke Van Woudenberg von Human Rights Watch. Durch den Krieg ist die Infrastruktur längst zusammengebrochen. "Die Menschen arbeiten mit den einfachsten Mitteln weiter, mit Hacken und Schaufeln, und wenn es sein muss, mit bloßen Händen." In den Minen werden auch häufig Kinder beschäftigt.

"Auch nach dem Friedensabkommen werden im Osten Kongos weiter zahlreiche Frauen vergewaltigt", sagt Juliane Kippenberg von Human Rights Watch. So meldeten sich allein in einem Frauenzentrum in Kivu noch immer monatlich mehr als 100 geschändete Frauen.

Die jüngste Patientin ist acht Jahre alt

Der nackte Protest der Frauen in Goma bewog den Arzt Joe Lusi, sich besonders um diese Gruppe der Kriegsopfer zu kümmern. "Wir helfen den Frauen, indem wir ihre Geschlechtsorgane wieder herstellen", sagt er. "Das ist wichtig für die Frauen, für ihre Würde, und für unser Land." Das Krankenhaus musste aus Platzmangel große Zelte aufbauen. Die jüngste Patientin ist acht Jahre alt, die älteste über 70.

Bohor Nyagakonda wartet in dem Krankenhaus auf ihre nächste Operation, zwei hat sie schon hinter sich. "Ich habe geschlafen, als sie kamen", erinnert sie sich. Die 30-Jährige war im achten Monat schwanger, als sie im vergangenen Jahr von Milizen überfallen wurde. "Sie sperrten meinen Mann ins Nachbarzimmer und vergewaltigten mich, fünf Männer, einer nach dem anderen", sagt sie. Das ungeborene Kind verlor sie. Anschließend war sie bettlägrig. "Ich konnte nicht mehr zur Toilette gehen und wusste überhaupt nicht, was mit mir los war", sagt sie. "Zehn Monate ging das so."

Bleibende Schäden

Ärzte im Osten Kongos sind besorgt über die große Zahl vergewaltigter Frauen, die bleibende Schäden davontragen und ihre Körperfunktionen nicht mehr kontrollieren können. Vergewaltigte Frauen werden zudem häufig von ihren Ehemännern verlassen. Bohor blieb dieses erspart. Ihr Mann hielt zu ihr und brachte sie in das Krankenhaus.

Die Regierung in der mehr als 1200 Kilometer entfernten Hauptstadt Kinshasa hat kaum Kontrolle über den Osten des Landes. Dort haben nach wie vor die von Ruanda unterstützen Rebellenmilizen das Sagen. "Es gibt bislang kaum Versuche, die Täter vor Gericht zu stellen", sagt die Expertin von Human Rights Watch. Um das Schicksal der Frauen kümmern sich in erster Linie einheimische Hilfsorganisationen. "Zumindest können Frauen offener über ihre Erfahrungen reden als früher", sagt sie. "Das hilft ihnen, darüber hinweg zu kommen - wenn das überhaupt möglich ist."

DPA
Raymond Thibodeaux und Ulrike Koltermann