Nachdem die Regierung den am 9. Mai veröffentlichten "Newsweek"-Bericht zunächst pauschal zurückgewiesen hatte, wurde nun eingeräumt, dass es doch zu einzelnen Missachtungen religiöser Überzeugungen von Muslimen gekommen ist. Der einflussreiche Senator Joseph Biden von den oppositionellen Demokraten forderte am Sonntag die Schließung des Lagers.
Pentagon veröffentlicht Einzelheiten von Koran-Missachtungen
Nachdem die Hauptnachrichtensendungen im Fernsehen am Freitagabend schon vorbei waren, nannte das Pentagon Einzelheiten der Missachtungen des Korans. Eine von Guantanamo-Kommandeur Brigadegeneral Jay Hood veranlasste Untersuchung ergab, dass ein Soldat absichtlich gegen die Koran-Ausgabe im Besitz eines Gefangenen trat. In einem anderen Fall wurden ein Gefangener und sein Koran mit dem Urin eines Aufsehers beschmutzt. Mehrere Buchausgaben des Korans wurden nass, weil ein Aufseher mit Wasser gefüllte Luftballons in eine Zelle warf. Und in einem anderen Fall wurde die Titelseite des Buchs mit einer obszönen Wendung auf Englisch verunstaltet.
In dem inzwischen zurückgezogenen "Newsweek"-Bericht hieß es, dass in Guantanamo eine Ausgabe des Korans in einer Toilette heruntergespült worden sei. Daraufhin kam es vor allem in Afghanistan über mehrere Tage hinweg zu schweren antiamerikanischen Unruhen, bei denen mindestens 15 Menschen getötet wurden. Die US-Regierung machte den "Newsweek"-Bericht dafür verantwortlich und beschuldigte die Medien, dem Ansehen der USA Schaden zugefügt zu haben.
Weißes Haus wies Presseberichte pauschal zurück
Joe Lockhart, ehemaliger Pressesprecher von US-Präsident Bill Clinton, erklärte dazu, dass das Weiße Haus dazu neige, auch dann einen Pressebericht in seiner Gesamtheit zurückzuweisen, wenn darin nur ein einzelner sachlicher Fehler enthalten sei. Jetzt aber hätten sie zugeben müssen, dass die in dem Bericht geschilderten Missstände in der Gesamttendenz zutreffend dargestellt worden seien. Auf diese Weise fühle sich die Öffentlichkeit in die Irre geführt, sagte Lockhart.
Senator Biden begründete die Forderung nach Schließung von Guantanamo im Fernsehsender ABC damit, dass das Lager mittlerweile zum größten Propaganda-Werkzeug zur weltweiten Rekrutierung von Terroristen geworden sei. Er forderte ferner eine Untersuchung der Lage in Guantanamo durch eine unabhängige Kommission. Biden ist der führende Demokrat im Auswärtigen Ausschuss des Senats.
AP