Banken sind mir nicht erst seit den Lehman Brothers und der großen Finanzkrise suspekt. Vielleicht beruht die Abneigung sogar auf gesunder Gegenseitigkeit. Ich vermeide Bankbesuche, wenn es irgendwie geht und ziehe es vor, Finanzielles entweder online oder am Automaten zu erledigen. Das funktioniert nicht immer, aber zufriedenstellend oft.
Nun gibt es Umstände, die das persönliche Aufsuchen eines Geldinstituts leider unumgänglich machen. Umzüge ins Ausland etwa. Wir sind vor einigen Jahren schon einmal aus Deutschland weggezogen, nach New York. Damals verwunderte uns, warum wir einen daumendicken Packen Schecks ausgehändigt bekamen, von dem die Frau glaubte, sie könne die notfalls als Einkaufszettel benutzen, weil doch kein Mensch, zumindest keiner bei Trost, noch mit Schecks bezahle. Mit dieser Annahme aber grundfalsch lag, weil alles, wirklich alles in den USA mit Schecks bezahlt werden musste. So war das jedenfalls.
Großbritannien wirkt im Vergleich deutlich fortschrittlicher; Schecks sind hierzulande in etwa so unüblich wie gute Elfmeterschützen. Wir hatten auch Glück mit einer jungen Bankangestellten aus Bulgarien, Adina, die sich viel Zeit nahm und uns eröffnete, dass wir freie Auswahl hätten zwischen einem Girokonto, einem Tagesgeldkonto und einem: islamischen Konto. Ich glaubte zunächst an einen kleinen Scherz. Aber Adina fuhr überaus ernsthaft fort, der „islamic account“ entspräche voll und ganz den Gesetzen der Scharia. Mit Scharia assoziiere ich nun nicht zwangsläufig Banken und Finanzwesen, sondern alles mögliche und nicht nur fröhliche Dinge. Aus Adinas freundlichem Lächeln aber war zu schließen, dass ein Scharia-Konto eine prima Sache sein muss für Moslems oder Konvertiten oder angehende Islamisten. Ein islamisches Konto ist zinsfrei, der Koran will es so, Sure 2. Es ist gewissermaßen die Mutter aller Konten. Ohne Schnick und ohne Schnack. Geld drauf zahlen. Geld abheben. Fertig. Ich musste einen Moment lang an die Vatikanbank denken und die krummen Geschäfte und den Limburger Bischof und begann in diesem Moment, den Islam etwas mehr zu mögen. Womöglich hätte die ganze Welt-Finanzkrise sogar vermieden werden können, wenn nur alle ein islamisches Konto…aber das führt vielleicht zu weit.
Von meinem Naturell und meinen Bankgewohnheiten her wäre ich wahrscheinlich ein idealer Kunde für ein islamisches Konto in England. Geld abheben, fertig. In unserer Gegend leben überdies viele Muslime; um die Ecke ist sogar das Zentrum der islamischen Kirche von England. Es wäre gewiss eine schöne Geste gewesen, ein islamisches Konto zu eröffnen, aus purer Nachbarschaftssolidarität.
Wir entschieden uns dennoch und aus Gewohnheit für ein schnödes westliches, langweiliges Konto mit Zinsen. Adina tippte lange Kombinationen in ihren Computer. Sie sagte, wir würden jetzt erst mal gecheckt. Nach dem Check und zum Abschied sprach sie dann: „Sie können aber keine Kreditkarten bekommen. Sie haben nämlich noch keine Kreditgeschichte in diesem Land.“ Das kannten wir schon aus den USA, und ich war beglückt darüber.
Beschwingt enterten wir kurz darauf die Filiale eines Mobilfunkanbieters, um flott umzusteigen auf einen britischen Anbieter. Ein freundlicher junger Mensch in einem roten T-Shirt schrieb alles in seinen Laptop, Name, Adresse, Geburtsdatum und die frische britische Konto-Nummer. Er fragte zwischendurch und eher gelangweilt, wie lange wir denn schon in London lebten, und die Frau antwortete wahrheitsgemäß: „Eine Woche.“ Woraufhin er „Oh“ sagte und sein Lächeln wich und seine Stirn sich zu kräuseln begann. Aus seinem Computer kamen nun seltsame Befehle.
„Sie können keinen Vertrag bekommen“, sagte der junge Mensch.
„Warum nicht?“, fragte ich.
„Der Computer sagt nein“, sagte er.
Ich fragte, warum der Computer „Nein“ sage, und er sagte: „Weil Sie keine Kreditgeschichte in diesem Land haben.“
Ich fragte: „Wie können wir eine Kreditgeschichte in diesem Land haben, wenn wir erst eine Woche in diesem Land leben.“
Er sagte: „Gar nicht.“ Und starrte dabei leicht beschämt auf seinen Laptop, der immerzu „No“ ausstieß. Wir kamen uns ein wenig vor wie in einer dieser Folgen von „Little Britain“, in denen Kunden permanent „Computer says No“ zu hören bekommen. Das kannten wir nicht aus den USA.
In diesem Moment wünschte ich mir, dass die Scharia über ihn und seinen Computer richten möge. Aber ich sagte das nicht laut, denn Klagen und Beklagen sind das größte „No-No“ in Britannien. Und doch schien der junge Mobil-Mensch Gedanken lesen zu können. „Es gibt nur eine Möglichkeit für Sie. Ein einfaches Guthaben-Konto: Draufzahlen. Telefonieren. Fertig.“ So geschah es.
Wenn man so will, telefonieren wir jetzt streng nach den Gesetzen der Scharia.