Blutverschmierte und entstellte Leichen im Fernsehen und auf einigen Titelseiten der internationalen Presse: Die Veröffentlichung von Fotos der laut USA getöteten Saddam-Hussein-Söhne Udai und Kusai hat eine Debatte ausgelöst, ob sich die US-Regierung dabei rechtlich und ethisch korrekt verhalten hat. Auch deutsche Rechtswissenschaftler und Politologen sind sich nicht ganz einig, ob die Veröffentlichung "in diesem besonderen Fall" gerechtfertigt war, wie es US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld formulierte.
"Merkmale eines primitiven Rituals"
Der Landauer Politologe und Medienwissenschaftler Ulrich Sarcinelli erkennt in dem demonstrativen Zurschaustellen der getöteten Feinde Merkmale eines primitiven Rituals, das einem überholt geglaubtem Menschheitsstadium entspreche. "Dahinter steht offensichtlich eine dramatische innenpolitische Glaubwürdigkeitskrise der Kriegsparteien USA und Großbritannien", sagte der Professor am Freitag im AP-Gespräch. Adressat der Veröffentlichung seien neben der irakischen Bevölkerung auch die zweifelnden Wähler und Medien zuhause.
Mit der Veröffentlichung umgingen die USA selbst gesetzte Prinzipien, gibt er zu bedenken. "Offenbar sollen die Fotos als optische und stark emotionalisierende Reize ein Gegengewicht bilden zu der immer stärker werdenden rational begründeten Kritik am Irak-Krieg." Nach Sarcinellis Ansicht wird diese Rechnung aber nicht aufgehen. "Die erhoffte innenpolitische Wirkung wird völlig überschätzt - sowohl in den USA und Großbritannien, als auch in Irak."
"Wichtig für das irakische Volk"
US-Verteidigungsminister Rumsfeld hatte die Foto-Veröffentlichung dagegen vehement verteidigt. "Es ist wichtig für das irakische Volk, sie zu sehen, zu wissen, dass sie tot sind und nicht wiederkommen." Es habe keine Chance gegeben, Udai und Kusai Hussein gefangen zu nehmen.
Der Bochumer Völkerrechtsexperte Hans-Joachim Heintze weist darauf hin, dass die US-Truppen als Besatzungsmacht in Irak nach dem Völkerrecht die öffentliche Ordnung aufrechterhalten und internationale Normen achten müssen. "Wenn es sich bei den Saddam-Hussein-Söhnen um gefangene oder getötete Soldaten gehandelt hätte, wäre die Veröffentlichung der Fotos nach dem Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen eindeutig unzulässig gewesen", sagt der Dozent am Bochumer Institut für humanitäres Völkerrecht.
"Eher als Zivilisten oder Staatsführer anzusehen"
Die Brüder Udai und Kusai seien aber eher als Zivilisten oder Staatsführer anzusehen, für die es keine Sonderregeln gebe. Rechtliche Grenzen setze im konkreten Fall der nach dem Völkernaturrecht geltende Rechtsgrundsatz der Menschenwürde, meint Heintze. "Nach meiner Meinung war die Veröffentlichung deshalb unzulässig."
Die deutsche Tagespresse hat die Problematik offenbar ebenfalls erkannt: Einige Zeitungen brachten die umstrittenen Fotos auf der Titelseite, die meisten Blätter druckten sie aber gar nicht ab. Auch die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) hatte die Bilder am Donnerstag weltweit verbreitet.
"Obskure" Tatsache
Nach Ansicht von Völkerrechtler Heintze wäre es aus Sicht der Besatzungsmacht rechtlich unbedenklicher gewesen, die Fotos lediglich dem neu eingesetzten 24-köpfigen Verwaltungsrat vorzulegen. Dieser hätte dann die Echtheit nach außen hin bestätigen können. Insgesamt beleuchtet der Vorgang aus seiner Sicht die "obskure" Tatsache, "dass die USA als Besatzungsmacht bei der irakischen Bevölkerung so wenig Vertrauen genießt".
Entscheidend und von großem rechtlichem Belang sei aus seiner Sicht aber eine andere Frage: "Ist es zulässig, diese Männer einfach totzuschießen, anstatt sie zu verhaften und vor Gericht zu stellen?" Dass eine Verhaftung nicht möglich gewesen sei, könne er sich schwer vorstellen: "Schließlich hatten die US-Soldaten eine riesige Übermacht rund um das Haus in Mossul." Andererseits könne man den USA angesichts der aktuellen politischen Lage in Irak nicht jeden kleinen Verstoß gegen das Völkerrecht vorhalten, meint Heintze. "Schließlich ist auch der fortdauernde Guerillakrieg gegen die USA und Großbritannien ein Verstoß gegen das Völkerrecht."