Ministerpräsident Omar Karami erklärte am Montag im Parlament: "Die Regierung wird keine Hürde für diejenigen sein, die das Wohl des Landes wollen." Karami reagierte damit auch auf die anhaltenden Massenproteste. Rund 25.000 Demonstranten trotzten am Montag einem Versammlungsverbot und forderten in Beirut den Abzug der syrischen Truppen. Unter den Demonstranten, die sich in der Nähe des Parlaments versammelt hatten, löste die Nachricht vom Rücktritt der Regierung lauten Jubel aus. Banken- und Wirtschaftsverbände beteiligten sich an einem eintägigen Streik. Rechtsanwälte in ihren schwarzen Roben und Ärzte in weißer Arbeitskleidung mischten sich unter die Menge auf dem Platz der Märtyrer. Die Demonstranten schwenkten hunderte libanesische Fahnen und verteilten rote Rosen an Polizisten und Soldaten.
Regierung soll Attentat gedeckt haben
Bereits vor Karamis Ankündigung hatte Hariris Schwester den Rücktritt der Regierung gefordert. Das ganze Land müsse wissen, wer den Mordanschlag geplant habe und jetzt die Wahrheit vertuschen wolle, sagte die Abgeordnete Bahija Hariri den Tränen nahe. Der Oppositionspolitiker Marwan Hamadeh warf der Regierung vor, das Attentat auf Hariri zumindest gedeckt, wenn nicht gar selbst ausgeführt zu haben. Seine Rede wurde mit Lautsprechern zu den Demonstranten übertragen. Hariri war am 14. Februar bei einem Bombenanschlag auf seine Fahrzeugkolonne getötet worden. Mit ihm wurden 17 Menschen in den Tod gerissen, mehr als 100 wurden verletzt. Hariri war für einen Abzug der rund 15.000 syrischen Soldaten aus dem Libanon eingetreten.
Als am Morgen des 14. Februar im Beiruter Touristenviertel eine Autobombe die Wagenkolonne des früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariris zerriss und ihn und 17 andere tötete, glaubten die Libanesen im ersten Schrecken, die schlimmen Tage des Bürgerkriegs könnten zurückkehren. Beirut, das "Paris des Ostens", hatte sich seit dem Ende des Bürgerkriegs 1990 von einer Ruinenlandschaft wieder in eine geschäftige moderne Stadt voller Hotels, Restaurants, Geschäften, Nightclubs und Straßencafés verwandelt. Und der Architekt dieses phänomenalen Wiederaufstiegs war nach übereinstimmender Meinung der fünfmalige Premier Hariri, der es aus eigener Kraft vom Bauernsohn zum Multimilliardär gebracht hatte.
Mordanschlag erschütterte das Land
Sein gewaltsamer Tod hat Libanon bis ins Mark erschüttert. Die Straßencafés und Einkaufszentren sind verwaist. Die Touristen, Libanesen wie Araber, haben gepackt und die Luxushotels und mondänen Skiorte verlassen. Täglich demonstrierten Tausende gegen Syrien und die eigene pro-syrische Regierung, die sie für den Mord an Hariri verantwortlich machten. Am Montag waren es - trotz Verbots - 50.000 Demonstranten. Am Abend hatten sie ein erstes Ziel erreicht: Die Regierung von Ministerpräsident Omar Karami erklärte ihren Rücktritt.
Hariris Grab in der Mohammed el Amin-Moschee ist täglich das Ziel Tausender schwarz gekleideter Trauernder, Muslims wie Christen. Manche schwören, das Grab nicht zu verlassen, "bis Hariris Mörder entlarvt sind und die Syrer Libanon verlassen". "Dieses Grab wird zum Grab der pro-syrischen Regierung", sagt ein Trauergast. Der Mord an Hariri hat die internationale Aufmerksamkeit und den Zorn der Libanesen auf die Rolle Syriens gelenkt, das 15.000 Soldaten im Nachbarland stationiert hat und sich mit seinen Geheimdiensten in Politik und Wirtschaft Libanons einmischt.
Anhaltende Proteste
"Syrien raus", ruft eine gut gekleidete Frau, die sich als die 60-jährige Christin Monique Bustros zu erkennen gibt. Viele - darunter der UN-Sicherheitsrat, der mit Resolution 1559 alle fremden Truppen zum Verlassen Libanons aufgefordert hat - meinen, dass Syrien schon viel zu lange geblieben ist. Hariri, der im vergangenen Oktober im Streit um eine Mandatsverlängerung Präsident Emile Lahouds zurückgetreten war, verkörperte für viele die Zukunft des Landes. "Zukunft" war sein Lieblingswort und tauchte in vielen seiner Unternehmen auf, so beim Fernsehsender "Zukunft TV".
"Jetzt ist die Zukunft vorbei", sagt Iman Itani unter Tränen. Sie war eine Stipendiatin Hariris an einem seiner Colleges. Hariri war ein großer Mäzen und hat rund 300.000 jungen Libanesen ein Studium im Lande oder im Ausland ermöglicht. Betroffen sind aber auch rund 500.000 syrische Arbeiter, die das Reservoir billiger Arbeitskräfte in Libanon stellen. Viele verlassen das Land aus Angst vor Racheakten. "Ich fühle, dass ich hier nicht mehr willkommen bin", sagt Raad, ein syrischer Arbeiter am Stadtrand von Beirut.
Exodus der Gastarbeiter
Baustellen liegen still, während immer häufiger Überfälle, Prügel und Brandstiftungen gegen syrische Arbeiter gemeldet werden. "Auf unseren Baustellen wird nur noch zu 20 Prozent gearbeitet", sagt Architekt Ahmed Kalesh. "Viele syrische Bauarbeiter sind abgehauen." Drusenführer und Oppositionschef Walid Dschumblatt hat seine Landsleute aufgefordert, ihre Wut nicht an den syrischen Gastarbeitern auszulassen. "Sie sind nicht für die Fehler ihres Regimes verantwortlich."
Die Protestversammlung auf dem Platz der Märtyrer begann am Sonntag. Die Sicherheitskräfte machten trotz des Versammlungsverbots am Montag keine ernsthaften Anstrengungen, Demonstranten fern zu halten. Einige Soldaten und Polizisten sympathisierten offen mit den Oppositionellen. Der syrische Präsident Baschar el Assad erklärte derweil, Voraussetzung für einen Rückzug seiner Truppen aus dem Nachbarland sei ein Friedensschluss mit Israel. Technisch gesehen sei ein Abzug aus dem Libanon binnen eines Jahres möglich, sagte Assad der italienischen Zeitung "La Repubblica". "Aber unter einem strategischen Gesichtspunkt wird er nur stattfinden, wenn wir ernsthafte Garantien erhalten. In einem Wort: Frieden." Syrien hatte vergangene Woche eine Umgruppierung seiner Soldaten ins Bekaa-Tal angekündigt.
Auch USA unterstützen syrischen Abzug
Ein Vertreter des US-Außenministeriums traf sich am Montag mit dem libanesischen Außenminister Mahmud Hammud und erneute die Forderung Washingtons nach einem Abzug der syrischen Soldaten. Für das libanesische Volk sei die Zeit gekommen, seine nationalen Entscheidungen selbst zu treffen, sagte David Satterfield.