Vorschlag aus London Worum geht es beim möglichen Taurus-Ringtausch mit Großbritannien?

Taurus-Debatte: Boris Pistorius und Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzen nebeneinander
Nicht immer der gleichen Meinung in Sachen Taurus: Verteidigungsminister Boris Pistorius und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages
© Michael Kappeler / DPA
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Taurus-Lieferungen eigentlich abgelehnt – nun bringt ein Einwurf Großbritanniens erneut Wind in die Debatte. Die wichtigsten Informationen zu einem möglichen Ringtausch.

Der Ampel-Koalition steht in der Taurus-Debatte erneut eine schwierige Woche bevor. Kurz vor einer neuen Abstimmung im Bundestag hat Großbritannien auf den Widerstand von Kanzler Olaf Scholz zur Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine reagiert. Außenminister David Cameron machte dem deutschen Kanzler am Wochenende eine Tür auf: Sein Land sei entschlossen, "engstens mit unseren deutschen Partnern zusammenzuarbeiten, um der Ukraine zu helfen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Nicht ausgeschlossen sei ein Tauschhandel, der die Bedenken von Scholz gegen die Waffenlieferungen zerstreuen könnte.  

Woher kommt die Idee eines Ringtauschs und was ist das?

Der britische Außenminister David Cameron hatte in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" einen Ringtausch angeregt, der die Bedenken von Scholz zerstreuen könnte. Bei einem solchen Ringtausch könnte Deutschland Taurus-Marschflugkörper an Großbritannien abgeben – und London seinerseits weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern.

Scholz lehnt die Lieferung der Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland damit in den Krieg hineingezogen werden könnte. Deutschland könne "nicht tun, was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird". Dies wurde von einigen als Zeichen dafür verstanden, Scholz traue den Ukrainern nicht, die Raketen verantwortungsvoll einzusetzen. 

Wie ist die Position der Briten in Bezug auf Marschflugkörper?

Großbritannien hatte im vergangenen Jahr bereits moderne Raketen des Typs "Storm Shadow" geliefert. Cameron wies die Sorge von Scholz zurück, die Lieferung könne zu einer Eskalation des Krieges führen. Es sei "absolut möglich, Beschränkungen beim Einsatz dieser Waffen festzulegen, um sicherzustellen, dass sie in keiner Weise zu einer Eskalation beitragen. Und das tun sie auch nicht", sagte er. Großbritannien vertraue entsprechenden Zusicherungen der Ukraine. Man sei zufrieden mit den Arrangements, die man getroffen habe. 

Hat Deutschland schon einmal einem Ringtausch zugestimmt?

Zu einem Tauschhandel als indirekter Variante der Militärhilfe hatte Scholz schon zu Beginn des Ukraine-Kriegs gegriffen, als er noch keine Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine schicken wollte. Bündnispartner wurden damals mit Leos unterstützt, um ihre deutlich weniger leistungsfähigen Panzer aus Sowjetzeiten in die Ukraine zu liefern.

Derzeit führen Deutschland und Tschechien ebenfalls Gespräche über einen Ringtausch, um die Ukraine mit schweren Waffen zu beliefern. Deutschland könnte Tschechien demnach weitere Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4 zur Verfügung stellen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich dabei um aus der Schweiz beschaffte Panzer, die vertraglich vereinbart nicht in die Ukraine geliefert werden dürfen. Im Gegenzug würde Tschechien aus seinen Beständen weitere Panzer der sowjetischen Bauart T-72 an die Ukraine abgeben. 

Der Bundeskanzker hatte Taurus-Lieferungen abgelehnt, hat sich daran etwas geändert?

Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zur Frage des Ringtauschs lediglich: "Es gibt keinen neuen Stand." Scholz habe zum Taurus eine Entscheidung getroffen. Der Kanzler lehnt die Lieferung der deutschen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern an die Ukraine ab, weil er befürchtet, dass Deutschland durch deren Einsatz letztlich in den Krieg hineingezogen werden könnte. In der vergangenen Woche sagte er zu seiner Ablehnung: "Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das."

Was sagt die Bundesregierung zu einem möglichen Ringtausch?

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sieht einen möglichen Ringtausch skeptisch. Auf die Frage, ob dies eine geeignete Lösung für die Taurus-Debatte sei, sagte Pistorius am Montagabend in Berlin: "Ich glaube nicht." Der britische Außenminister David Cameron habe diesen Vorschlag auch nicht von sich aus gemacht, sondern lediglich auf die Frage eines Journalisten gesagt, die britische Regierung prüfe alle Optionen. "Aber das war es dann auch", sagte Pistorius.

Außenministerin Annalena Baerbock hatte ein solches Vorgehen am Wochenende als eine Möglichkeit bezeichnet.

Bundeswehr-Waffensystem: Das kann der Marschflugkörper Taurus (Video)
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Bundeswehr-Waffensystem im Video: Das kann der Marschflugkörper Taurus

Wie geht es in Sachen Taurus weiter?

Die Grünen erwarten die rasche Prüfung der Möglichkeit eines Taurus-Ringtauschs mit Großbritannien. Dies könne eine Option sein, "den Knoten zu durchschlagen" und der Ukraine mit Marschflugkörpern zu helfen, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour am Montag in Berlin.

Die Union will am Donnerstag im Bundestag erneut einen Antrag zur Abstimmung stellen, der Ukraine das Taurus-System zu liefern. Es gibt Anzeichen dafür, dass der Unions-Antrag auch von einzelnen Abgeordneten der FDP und Grünen unterstützt werden könnte. Strack-Zimmermann ließ Distanz zu dem Vorgehen der Union erkennen. Der Bundestag könne zwar jede Woche abstimmen, sagte sie. Man müsse aber aufpassen, dass das für die Ukraine wichtige Thema "nicht zur Posse verkommt". 

FDP-Fraktionschef Christian Dürr erinnerte die liberalen Bundestagsabgeordneten in diesem Zusammenhang an einen Grundsatz aus dem Koalitionsvertrag der Ampel. "Es gibt keine wechselnden Mehrheiten innerhalb einer Koalition", sagte er dem Nachrichtenportal "t-online". Den Unions-Antrag bezeichnete er als "reine Symbolpolitik", denn über Waffenlieferungen entscheide die Bundesregierung, nicht das Parlament. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es zum Thema Abstimmungsverhalten: "Im Deutschen Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen."

DPA · AFP · Reuters
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