Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden haben die Wähler den Schwerpunkt der Politik deutlich nach rechts verschoben. In den vielen Stimmen für die bislang oppositionellen Christdemokraten und vor allem für die Anhänger des ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn gaben sie ein vernichtendes Urteil über die Arbeit der linksliberalen Regierung, analysieren die Zeitungen. Den Wählern war das Bemühen Den Haags um rein wirtschaftliche Wohlstandssicherung nicht genug. Sie begehrten auf gegen Vernachlässigung der gesellschaftlichen Probleme und gegen Bevormundung durch politische Besserwisser.
»Unsere Demokratie ist nicht in Ordnung«, kommentierte die Zeitung »De Gelderlander«. »Es gibt eine politisch- behördliche Kaste, die wenig über das Leben des einfachen Mannes weiß und sich darum auch nicht kümmert.« Pim Fortuyn habe den Finger auf die Wunde gelegt und den Abstand zwischen dem politischen Establishment und dem Volk aufgezeigt. Aber die in Den Haag residierenden Politiker haben diese Kluft zu spät und nicht ausreichend genug erkannt, räumten in der Wahlniederlage zerknirschte Sozialdemokraten ein.
»Bedrohung« für Hollands Wohlstand
»Zunehmende Kriminalität auf der Straße und eine Anhäufung von multi-ethnischen Problemen in den Großstädten« bedrohten Hollands Wohlstand, auf den die Regierenden mit Eigenlob immer wieder verwiesen. In einer solchen Situation sei eine rein verwaltende Politik, die sich auf Haushaltsüberschüsse konzentriere, nicht ausreichend, beanstandete die christliche »Trouw«.
Als Fortuyn das Unbehagen vieler Bürger über die allzu liberale Zulassung von Ausländern aus aller Welt, Angst vor wachsender Kriminalität und sinkender Effektivität der Polizei in Slogans formulierte, wurde er als Rassist angegriffen.
Wenige Tage nach seinem Tode stellten in den größten niederländischen Städten Amsterdam, Rotterdam und Den Haag Anhänger Fortuyns die größten Wählergruppen, deutlich vor den früher beherrschenden Sozialdemokraten und anderen Parteien.
Auf Landesebene sorgte der Wunsch des Wählers, ernst genommen zu werden, vor allem bei den Sozialdemokraten für ein »Blutbad«, wie es im »Telegraaf« hieß. Und weil sich auch die Liberalen (VVD) kaum unterschieden von linker Bevormundung, mussten sie die Folgen mittragen. Gut ein Drittel der Wähler Fortuyns war früher bei dieser Partei heimisch, als sie noch zu den Rechten zählte.
Weder rechts noch links
Jan Peter Balkenende, der erst seit Herbst vorigen Jahres amtierende nicht vom Den Haager »Klüngel« belastete Christdemokrat, bot jenen eine Wahlheimat, die in Fortuyn keine ansprechende Alternative sahen. Ein Teil seiner Anziehungskraft wird von den Zeitungen auch mit seiner Haltung im Wahlkampf begründet. »Er beugte sich nicht nach rechts und nicht nach links«, bestätigte »de Volkskrant«. Bei ihm suchten die Wähler jetzt Sicherheit.
Aber der Auftrag sei für eine Mitte-Rechts-Regierung erteilt worden, erinnern Kommentatoren. Für ein linkes so genanntes progressives Kabinett unter anderem mit den Sozialdemokraten und den Grünen, wie es Grünen-Chef Paul Rosenmöller noch nach dem Wahlergebnis propagiert hatte, bestünden danach keine guten Aussichten.
Edgar Denter