Im Grunde könnte sich Barack Obama in Sachen Wirtschaftspolitik halbwegs beruhigt zurücklehnen. Zumindest die Statistik spricht für den neugewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten - denn unter einem Demokraten ging es der US-Wirtschaft im Schnitt besser als unter einem Republikaner. Im Durchschnitt aller sechs Amtsperioden demokratischer Präsidenten seit 1945 wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den USA um gut 4,4 Prozent, unter republikanischen Präsidenten um 2,8 Prozent. Auch die Aktienkurse entwickelten sich stets besser, wie eine Postbank-Studie jüngst herausfand: Im Durchschnitt plus 52 Prozent unter Demokraten, plus 31 Prozent unter Republikanern.
Doch die Aufgaben vor denen Barack Obama nun steht, sind gigantisch und kaum vergleichbar mit denen aus der jüngeren Vergangenheit: Da wäre zum einen das enorme Haushaltsdefizit in Höhe von mehr als 450 Milliarden Dollar allein für das laufende Jahr. Darin ist das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket noch nicht enthalten. Die Gesamtschulden der USA liegen bei mehr als zehn Billionen Dollar. Und zum anderen dräut schon die nächste Katastrophe: Weil die Amerikaner gerne und viel per Kreditkarte kaufen, ist ein nicht geringer Teil von ihnen hoffnungslos überschuldet. Experten rechnen damit, dass viele von ihnen ihre Verbindlichkeiten nicht werden begleichen können und die Banken weitere Milliardenverluste abschreiben müssen.
USA am Rande der Rezession
Dazu befindet sich die US-Wirtschaft, wie viele andere auch, am Rande einer Rezession. Schon jetzt betroffen ist der Einzelhandel, die Autoindustrie, die Baubranche - und der Hypothekenmarkt sowieso. Immerhin: Barack Obama wurde auch deswegen gewählt, weil das amerikanische Volk ihm offensichtlich eher als John McCain zutraut, die Probleme zu lösen. Doch nun muss er sie auch lösen. Schon während des Wahlkampfs hat er seine künftige Finanzpolitik skizziert, die sich im Wesentlichen so zusammenfassen lässt: Mehr Staat, mehr Regulierung, Steuererleichterung für die Mittelschicht, Steuererhöhung für die Wohlhabenden.
Das ist der eine Teil von Obamas Plänen, der für das Volk. Doch dann ist da noch der unübersichtliche Bereich des Finanzwesens. Zusammen mit der Bush-Regierung und den Abgeordneten des Kongresses hat er das 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket mitentwickelt und durchgeboxt. Freilich hat auch der amtierende Finanzminister Henry Paulson einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet. Und seine Maßnahmen haben auch Obama überzeugt. Dem 44. Präsidenten allerdings schweben deutlich einschneidendere Schritte vor, um eine Wiederholung dieses Fast-Zusammenbruchs der Finanzmärkte zu verhindern: So sollen Finanzunternehmen, die Steuergelder erhalten, stärker staatlich beaufsichtigt werden. Auch den "allgemeinen" Zustand dieser Firmen soll der Staat in Zukunft genauer überprüfen, selbst solcher, die außerhalb des amerikanischen Hoheitsgebietes residieren. Bereits bestehende Regeln, die die Manipulation des Wertpapierhandels verhindern sollen, müssten vehementer angewandt werden, so Obamas Vorstellungen.
Vorschläge aus Wahlkampfzeiten
Diese Vorschläge hat der neue Präsident angesichts des drohenden Zusammenbruchs des Weltfinanzsystems entwickelt und zudem zu Wahlkampfzeiten. Ob und wieviel von diesem Paket tatsächlich umgesetzt wird, wird nun vor allem die Sache des künftigen Finanzministers sein - einer der Schlüsselpositionen in Obamas Kabinett. Wer genau den Posten bekommt, darüber wird der President-elect, das gewählte Staatsoberhaupt, in diesen Tagen entscheiden. Fünf Namen sind zurzeit im Gespräch, wobei einige Beobachter glauben, dass im Finanzministerium für eine Übergangszeit sogar zwei Verantwortliche an der Spitze stehen könnten.
Einer der Namen ist der des aktuellen Finanzministers Henry M. Paulson, zwar Republikaner, aber erfahren im Amt, vor allem in Sachen Finanzmärkte. Der ehemalige Investmentbanker von Goldman Sachs hatte die spektakuläre Staatsintervention bei den Pleitebanken Fannie Mae und Freddie Mac sowie das Rettungspaket mit eingefädelt und damit die amerikanische Politik der Nichteinmischung in Märkte und Unternehmen über den Haufen geworfen. Wie schon John McCain hat Paulson Obama Hilfe angeboten.
Kehrt ein Ex-Finanzminister zurück ins Amt?
Eine weiterer häufig genannter Name ist der von Lawrence Summers. Er war Anfang der 90er Jahre Chefökonom der Weltbank und wechselte danach als Finanzminister in der Regierung von Bill Clinton. Summers war einer der Obama-Berater während des Krisenherbstes 2008 und unterstützt die Pläne des neuen Präsidenten, die Steuern für die reichen und reichsten Amerikaner zu erhöhen. Er gehört zum so genannten Transition-Team Obamas, mit dessen Hilfe die wichtigsten Posten der Regierungsmannschaft besetzt werden sollen. Ebenfalls Teil dieser Mannschaft ist Timothy Geithner, Präsident der New Yorker Zentralbank. Er ist einer der Berater, mit dessen Hilfe Obama versucht hat, der Bankenkrise Herr zu werden. Geithner arbeitete bereits mit Lawrence Summers zusammen.
Der nächste auf der Liste: Robert Rubin. Wie Summers war er Finanzminister unter Bill Clinton. Seine Wirtschaftspolitik eines ausgeglichenen Staatshaushalts wurde später als "Rubinomics" bezeichnet. Der 70-jährige Banker war zuvor bei Goldman Sachs und der Citibank. Ebenfalls im Gespräch ist der frühere US-Notenbankchef Paul Volcker, 81. Er war es, der in den 70er und 80er Jahren die Stagflation in den USA mit Hilfe hoher Leitzinsen zu beenden half.
Wer auch immer den Posten des Finanzministers übernehmen wird, hat einen Haufen Arbeit vor sich: "Die Aufgabe liegt irgendwo zwischen enorm und überwältigend", sagte der US-Polit-Berater Robert Raben jüngst. Zum einen muss er eine Strategie entwickeln, wie es mit den staatsverwalteten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac und anderen öffentlichen Beteiligungen weitergehen soll. Zum anderen muss er versuchen, Obamas Wahlversprechen wie die Krankenversicherungsreform, Steuererleichterungen für kleine Unternehmen und Familien umzusetzen, ohne das riesige Haushaltsdefizit weiter auszudehnen. Aber Barack Obama wäre nicht Barack Obama, wenn er sein Volk nicht schon in seiner ersten Rede als gewählter Präsident vorgewarnt hätte: "Die Straße vor uns wird lang sein und der Hang steil. Es wird Rückschläge geben und Fehlstarts. Aber ich werde immer ehrlich mit Euch sein."
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