Oberhaus-Wahl Japans Regierung in der Krise

Von Martin Kölling, Tokio
Japans Wähler haben ihrem Ministerpräsidenten bei der Wahl zum Oberhaus eine schwere Niederlage zugefügt - gleichwohl will Shinzo Abe im Amt bleiben. Nun beginnen hinter den Kulissen die Intrigen.

"Der Aufbau der Nation hat gerade erst begonnen", sagte er nach der Abstimmung über die Hälfte der Sitze im Oberhaus. "Ich würde gern meine Pflicht erfüllen und die Reformen fortsetzen." Er deutete eine Umbildung der Parteiführung und des Kabinetts an.

Ministerpräsident Shinzo Abe muss eine schwere Niederlage einstecken. Laut späten Hochrechnungen hat die Koalition aus Abes Liberaldemokratischer Partei (LDP) und der buddhistischen Neuen Gerechtigkeitspartei ihre Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer verloren, deren 242 Sitze alle drei Jahre zur Hälfte neu gewählt werden. Die LDP gewann laut den Hochrechnungen weniger als 40 Sitze und verlor außerdem nach rund einem halben Jahrhundert zum ersten Mal den Vorsitz im Oberhaus. Großer Sieger ist die Demokratische Partei Japans (DPJ), die stärkste Fraktion wird.

Abes Regierung ist nun massiv geschwächt. In den kommenden Monaten dürften die Rücktrittsforderungen aus seiner Partei deshalb zunehmen. Die Koalition kann zwar dank ihrer Zweidrittelmehrheit im politisch entscheidenden Unterhaus auch gegen eine Oberhausmehrheit regieren. Die LDP hat aber nach ähnlich deutlichen Niederlagen bereits zweimal die Führung ausgewechselt, das letzte Mal vor neun Jahren, als Ryutaro Hashimoto nur Sitze erobern konnte.

Absetzung ist schwierig

"Diese Wahlen zeigen, dass das Volk kein Vertrauen in Abe hat", sagte DPJ-Generalsekretär Yukio Hatoyama. Der geschäftsführende DPJ-Präsident Naoto Kan sagte: "Letztlich wollen wir das Unterhaus auflösen und Neuwahlen."

Dennoch rechnet Takao Toshikawa, der Herausgeber des Newsletters Tokyo Insideline, nicht mit einer Entscheidung der LDP vor September. "Abes außenpolitisches Besuchsprogramm ist im August so dicht, dass es schwierig ist, ihn vorher abzusetzen." Ende August kommt beispielsweise die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Bis dahin dürfte hinter den Kulissen intrigiert und verhandelt werden.

Sicher ist Abes Ende nicht, denn die gesamte politische Landschaft könnte vor einem Umbruch stehen. "Die Frage ist, ob die Demokraten einen Sieg überleben", sagte Robert Feldman, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley, kurz vor den Wahlen. Mit Sozialisten und Abe wirtschaftspolitisch nahestehenden Neoliberalen in ihren Reihen ist die Partei noch zerrissener als die von vielen Wählern als korrupt geschmähte LDP. Feldman hält es für möglich, dass sich der neoliberale Teil abspaltet und durch ein Bündnis mit Abe die Wirtschaftsreformen beschleunigt.

Wichtigster Mann im japanischen Ränkespiel wird kurzfristig ein alter Bekannter, meint Beobachter Toshikawa: Yoshiro Mori, Chef des größten LDP-Flügels. Mori war von 2000 bis 2001 LDP-Chef und Premier. Die Ironie: Unter seiner Führung fiel die LDP in eine noch tiefere Krise als heute.

FTD