Exakt um 5.21 Uhr lokaler Zeit war der gespenstische Auftritt zu Ende und die indischen Sicherheitskräfte konnten aufatmen. Sie hatten im Land mit der weltweit größten Zahl tibetischer Emigranten dasselbe fertig bekommen, was auch schon Argentinien, dem Sultanat Oman und Pakistan geglückt war: den olympischen Fackellauf wenn schon nicht protest- so doch störungsfrei über die Weltbühne zu bringen. Sie schafften es mit einem Aufgebot von 17.000 Polizisten, mit dem Ausschluss von Neugierigen aller Art bis hin zu den Medien und mit einer Verkürzung der Strecke auf ganze 2,3 Kilometer.
So trabten 70 als Läufer verkleidete Persönlichkeiten aus Sport und Showbizz jeweils nur eine Kurzstrecke auf Delhis geisterhaft leerer Prachtstraße Rajpath zum Gate of India. Umringt von Polizisten in schwarz-roten Trainingsanzügen, denen man ihren Beruf genau so deutlich ansah wie dem chinesischen Begleitschutz in hellblau und weiß, die nach Leibwächterart permanent wachsam in die Runde schauten. Als fröhlichen Auftakt zu fröhlichen Spielen konnte man diesen Hochsicherheits-Staffellauf sicher nicht werten. Doch von diesem heiteren Wunschbild haben sich selbst die Chinesen längst verabschiedet, für sie geht es jetzt nur noch darum, trotz der weltweiten Protestwelle gegen Chinas Tibet-Politik die olympische Flamme ohne größere Zwischenfälle irgendwie nach Peking zu kriegen.
So gesehen, können sie die Station Delhi als Erfolg verbuchen. Zwar hatten tibetische Gruppen versucht, noch vor dem Morgengrauen die Ankunft des Feuers aus Rawalpindi auf dem Flughafen Delhi zu stören, doch die Polizei hatte die meist tibetischen Demonstranten schon im Vorfeld mit massiver Gewalt abgedrängt. Und auch der parallele tibetische Protest-Fackellauf am Nachmittag in der Hauptstadt weit ab vom offiziellen Kurs des Feuers, an dem unter anderen die Schriftstellerin Arundhati Roy teilnahm, endete zwar mit Scharmützeln, doch ohne größere Zwischenfälle.
Und so konnten nach dem Entzünden einer olympischen Flamme unter dem Gate of India, dem nur eine sorgsam gesiebte, China-Fähnchen schwingende Menschmenge von ein paar hundert Köpfen aus der Nähe folgen durfte, die chinesischen Repräsentanten ein zufriedenes Lächeln aufsetzen. Wieder ein Tag ohne GAU überstanden. Als nächste Station steht Malaysia auf dem Programm. Kein größerer Grund zur Besorgnis: In diesem autoritären Land tun sich Störenfriede schwer.