Panik unter Pilgern Todesfalle Tempel

Von Teja Fiedler, Mumbai
Bei einer Massenpanik vor einem Hindu-Tempel im indischen Bundesstaat Rajasthan sind mindestens 140 Pilger ums Leben gekommen. Solche Tragödien sind bei religiösen Festen auf dem Subkontinent nichts Ungewöhnliches. Ebenso wenig wie die Weigerung der Behörden, ihre Mitschuld einzugestehen.

Es war noch Nacht im historischen Jodhpur, als bereits einige tausend Menschen hinauf zum Chamunda Tempel drängten: Sie alle hatten die eigentlich gute Idee gehabt, am ersten Tag des hinduistischen Navrtatri-Festes dem zu erwartenden Ansturm in den Morgenstunden zu entgehen. Doch ihre Überlegung erwies sich als fatal. Zu eng war der Zugang zum Heiligtum auf einem Hügel über der Stadt für die Menge. Zu spärlich waren Sicherheitskräfte verteilt, die eigentlich dafür zu sorgen hatten, dass die Pilger in einzelnen Gruppen mit gehörigem Abstand die perlenstrotzende Statue der Göttin Devi im Tempel anschauen können. Und außerdem war der Weg aus Sorge um die weiblichen Gläubigen auch noch durch Barrikaden zweigeteilt. Männer auf der einen, Frauen auf der anderen Seite. Das verringerte zusätzlich die Fluchtmöglichkeiten.

Nach Augenzeugen-Berichten stürzte innerhalb der Tempelanlage eine Steinmauer auf der Männerseite ein und begrub einige der Pilger unter sich. Es gibt auch Stimmen die berichten, der Versuch der Absperr-Kräfte, einem besonders wichtigem Gast freie Bahn zu schaffen, habe die Situation verschärft. Panik brach aus. Sie steigerte sich zur Stampede, als sich in der eng gedrängten Menge auch noch das Gerücht von einem Bombenanschlag verbreitete. Tausende von Menschen versuchten, der Falle zu entfliehen. Weil die Panik auf der Männerseite am größten war, sind die weit über hundert Todesopfer vor allem Männer und sie begleitende Kinder. Niedergetrampelt, an die Barrieren und Mauern gedrückt und erstickt.

Autoritäten bestreiten jede Schuld

Wie fast immer in Indien, weisen die Autoritäten jede Mitschuld an der Tragödie weit von sich. Sie streiten auch kategorisch ab, die Rettungskräfte seien viel zu spät gekommen. Doch Fernsehbilder beweisen sehr deutlich, dass lange Zeit Tote und Verletzte nur von anderen Pilgern geborgen und in Krankenhäuser transportiert wurden, die dann auf den Ansturm ebenfalls nicht ausreichend vorbereitet waren.

Eine Massenpanik ist bei religiösen Festen in Indien nichts Ungewöhnliches. Vor nicht einmal zwei Monaten waren im Bundesstaat Himachal Pradesh im Norden Indiens über 150 Menschen getötet worden. Damals war der steile, gewundene Pfad zu einem populären Tempel hoffnungslos überfüllt und verstopft gewesen. Heftige Regenschauer ließ die Gläubigen noch näher zusammenrücken. Ein Geländer brach und hunderte von Pilgern stürzten auf das Menschengewühl in der Straßenkurve unter ihnen. Auch damals verschärfte das Gerücht von einem Bombenanschlag die Panik. Bei der versuchten Massenflucht wurden vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen zusammengetrampelt.

Die Furcht vor Bombenterror als Auslöser der Katastrophe ist in Indien mehr als verständlich. Denn seit Jahren wird das Land von Sprengstoffattentaten heimgesucht. Die Hauptstadt Delhi erlebte in den letzten Wochen zwei Anschläge hintereinander mit mehreren Toten. Im Juli erlitten Bangalore und Ahmedadbad geradezu flächendeckenden Terror mit jeweils acht beziehungsweise 16 Einzelbomben und insgesamt 57 Opfern. Und erst wenige Stunden vor dem Unfall in Jodhpur gab es zwei weitere Explosionen: In Malegaon nördlich von Mumbai ging nur ein paar Meter von einer Polizeistation entfernt ein Sprengkörper hoch, der an einem Motorrad befestigt war und tötete mindestens fünf Menschen. Und auch in der Stadt Modasa im Bundesstaat Gujarat riss die Explosion eines mit Sprengstoff präparierten Motorrads zwei Männer in den Tod.