Parlamentswahlen in Russland Behörden schikanieren Wahlbeobachter

Die einzige unabhängige russische Wahlbeobachterorganisation Golos hat neuen Druck von den Moskauer Behörden beklagt. Einen Tag vor der Parlamentswahl sieht sich Golos einer Hetzjagd ausgesetzt.

Einen Tag vor der russischen Parlamentswahl ist die Leiterin der regierungsunabhängigen Wahlbeobachtergruppe Golos nach eigenen Angaben an einem Moskauer Flughafen am Samstag stundenlang festgehalten worden. Lilija Schibanowa sagte, Zollbeamte am Flughafen Scheremetjewo hätten ihren Laptop unter dem Vorwand beschlagnahmt, er enthalte illegale Software. Der Vorfall sei ein weiteres Beispiel für den Druck, der auf Golos (Stimme) ausgeübt werde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Golos; die Organisation macht Verstöße gegen das Wahlgesetz öffentlich.

Schibanowa sagte, nachdem der Versuch gescheitert sei, Golos per Gerichtsbeschluss zum Schweigen zu bringen, solle sie nun daran gehindert werden, das Land zu verlassen. Kommende Woche wolle sie vor dem Europäischen Parlament über die Wahl in Russland berichten.

Der russische Regierungschef Wladimir Putin, der die Kremlpartei Geeintes Russland führt, hatte die unabhängigen Beobachter als "Judas" bezeichnet. Danach hatten einzelne Politiker sowie der Chef der Wahlkommission, Wladimir Tschurow, Anzeige gegen Golos erstattet. Aus der EU und den USA kam scharfe Kritik an dem Vorgehen gegen die letzten unabhängigen russischen Wahlbeobachter.

Zweifel an Putins Methoden

Gemeinsam mit der Internetzeitung gazeta.ru verzeichnet Golos auf einer "Karte der Verstöße" im Internet die ihnen seit August gemeldeten Hinweise auf Unregelmäßigkeiten im Wahlkampf. Mehrheitlich waren es Hinweise zu Lasten der Kreml-Partei Einiges Russland, der Hausmacht von Regierungschef und Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin.

Andreas Schockenhoff, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Russlandbeauftragter der Bundesregierung, warf Putin einen "Rückfall in sowjetische Muster" vor. In dem auf die Wahlbeobachter ausgeübten Druck sah er in einem Gespräch mit Deutschlandradio Kultur "stalinistische Methoden".

Intern sei in Russland ausgegeben worden, dass die Partei Einiges Russland mindestens 60 Prozent der Stimmen erreichen müsse. Jeder Gouverneur, jeder Amtsvorsteher, jeder Schulleiter habe diese Vorgabe bekommen. Deshalb bestünden Zweifel an freien und fairen Wahlen, sagte der CDU-Politiker. "Putin ist ein Mann der Geheimdienste, ein Mann der alten Ordnung", sagte Schockenhoff. "Putin ist kein Demokrat."

DPA
cjf/AFP/DPA