"Ich habe noch Hoffnung. Ich habe noch meine Träume." Wang Juntao träumt von der Demokratie in seinem Heimatland China. Im Rahmen seiner Promotion an der Columbia-Universität in den USA beschäftigt er sich mit der Frage, wie dieser Traum verwirklicht werden kann, den viele mit ihm teilen - insbesondere jene, die nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 15 Jahren das Land verlassen mussten und bis heute nicht nach China zurückkehren konnten.
"Im Exil müssen wir unseren Glauben aufrechterhalten, dass es eines Tages Demokratie (in China) geben wird", sagt Wu’er Kaixi, der gemeinsam mit mehreren tausend Studenten und Sympathisanten im Frühjahr 1989 in den Hungerstreik trat und leidenschaftliche Reden gegen den damaligen Ministerpräsidenten Li Peng hielt.
Angehörige der Opfer werden überwacht
Mit Panzern und Schützenpanzern ging die Armee am 4. Juni 1989 gegen die Demonstranten auf dem Pekinger Tiananmen-Platz vor. Zahllose Menschen wurden getötet, die Schätzungen reichen von mehreren hundert bis zu mehreren tausend. 15 Jahre später ist die Regierung bemüht, keine Erinnerungen an die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung aufkommen zu lassen. Aktivisten und Angehörige der Opfer werden nach eigenen Angaben überwacht, stehen faktisch unter Hausarrest oder wurden vor dem Jahrestag aus Peking ausgewiesen.
Die chinesische Regierung steht bis heute zu ihrem Urteil, dass es sich bei den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens um revolutionäre Unruhen handelte. Es war "ein politischer Aufstand, egal, wie Sie es nennen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums vor wenigen Tagen. Die Niederschlagung habe zur "Stabilisierung der Situation" beigetragen.
Wang Dang, der maßgeblich an der Planung der Proteste beteiligt war, saß nach dem Massaker sieben Jahre im Gefängnis. Danach verließ er China, um sich ein neues Leben aufzubauen. Der heute 35-Jährige promoviert an der Harvard University. Das Thema seiner Doktorarbeit: "Chinesische Politik und die Demokratiebewegung in Taiwan". Auch die frühere Studentenführerin Chai Ling, die für ihre leidenschaftlichen Reden bekannt war, lebt heute in den USA, wo sie eine Software-Firma leitet.
"Aber das größte Hindernis ist politischer Art"
Zwar hat sich seit 1989 in China einiges im Sinne der damaligen Demonstranten verändert. So sei die Protestbewegung hilfreich für die ökonomische Entwicklung des Landes gewesen, sagt Wu’er. "In den vergangenen 15 Jahren war ein enormer wirtschaftlicher Fortschritt zu verzeichnen, aber das größte Hindernis ist politischer Art", ergänzt der 36-Jährige, der einst auf der Liste der 21 meistgesuchten Demokratiebefürworter stand. Er wurde über Hongkong außer Landes geschmuggelt und ging zuerst nach Frankreich, dann in die USA, bevor er sich in Taiwan niederließ. "Es war noch nie einfach, die Macht anderer Leute herauszufordern", sagt Wu’er.
"Mein Wunsch ist es, nach China zurückzukehren", sagt Zhang Boli, der 1991 aus seinem Heimatland flüchtete, weil er wie Wu’er auf der Fahndungsliste der Behörden stand. "Ich halte das auch für mein Recht", sagt der 40-Jährige in Washington. "Ich glaube, alles was ich habe, ist immer noch in China. Es ist sehr traurig."
Wang Juntao, der zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt und 1993 vorzeitig freigelassen wurde, ist zuversichtlich, dass sich sein Traum von einem demokratischen China eines Tages erfüllt. "Wenn wir zum Wandel bereit sind, wenn wir den Wandel wollen, dann werden wir schließlich einen Wandel bekommen." Diese Hoffnung habe er immer gehabt, sagt Wang. "Sonst hätte ich nicht einen so hohen Preis bezahlt."