Propaganda "Wow, was für eine Explosion!"

Amerikas Fernsehsender schwelgen in Hurra-Patriotismus. Ihre Zuschauer erleben die Schlacht gegen Saddam als großes, buntes, lautes Spektakel. Wie grausam der Krieg ist, erfahren sie nicht.

Wenn sich die Dunkelheit über die Vereinigten Staaten legt und langsam die Sonne über dem Irak aufgeht, ist Showtime. Die Menschen in den USA gehen nach der Arbeit pünktlich nach Hause. Denn der Krieg kommt zur besten Sendezeit, auf allen Kanälen, die größte Reality-TV-Show in der Geschichte des Fernsehens. In den Sendungen von ABC, CBS, NBC, Fox und CNN geht es zu wie bei einer Sport-Schaltkonferenz. Der Bildschirm ist in vier Teile geteilt, damit der Zuschauer keinen Einschlag verpasst. Moderatoren überschlagen sich mit Superlativen, die präzisesten Waffen, der schnellste Vorstoß, die beste Armee der Welt. Korrespondenten berichten live von Flugzeugträgern, von rumpelnden Panzern, aus der Wüste, einige auch aus Bagdad, der brennenden Stadt.

"Fantastische Bilder"

"Wow, was für eine Explosion", ruft Wolf Blitzer von CNN euphorisch, als eine Bombendetonation den Himmel orange färbt. "Fantastische Bilder", ruft der Kollege von der kuwaitischen Grenze. Und gibt weiter an Aaron Brown, den CNN-Moderator. "So etwas hat man noch nie gesehen, liebe Zuschauer", ruft er. "Panzer, die an die Front vorrücken. Und Sie sind live dabei."

Die Wüste bebt. Irgendwann stehen die vorrückenden Panzer, und eine Viertelstunde lang zeigen die Kameras ein einsames Sträuchlein in der Steppe. Bis sich Reporterin Kyra Phillips vom Flugzeugträger "Abraham Lincoln" in die Konferenz kreischt: "Aaron, schauen Sie, schauen Sie nur: Der Pilot winkt, er winkt!"

Das ist Fernsehgeschichte. Unterschiede in der Berichterstattung gibt es kaum - die Bilder sind weitgehend identisch und die Reporter sind weitgehend patriotisch.

Nur die Kommentatoren von Fox, dem inoffiziellen Regierungssender, finden immer noch eine Steigerung. Als die Tomahawk-Lenkwaffen auf Bagdad fallen, als Feuersäulen aufsteigen und Qualm, sagt einer: "Faszinierend, toll, das zu sehen." Und dann weiter, ganz im Duktus seines Präsidenten: "Wir wollen ein Signal an die irakische Bevölkerung senden."

Journalisten an der Front

"Embedding" heißt das Programm des Pentagon. 500 Journalisten, davon 400 Amerikaner, dürfen mit an die Front und das zeigen, was genehm ist. "Embedding" bedeutet so viel wie einbetten. Aber so, wie die US-Sender berichten, müsste es eigentlich "Im Bett mit dem Pentagon" heißen. "Great Job", sagt der MSNBC-Reporter zum Kommandeur. "Great Job", lobt der zurück.

In Europa zeigen die Sender andere Bilder. Sie zeigen auch Iraker und Flüchtlinge. Amerika bekommt fast ausschließlich Bombenhagel zu sehen. Und patriotische Experten. Und Helden natürlich.

Auf der "U.S.S. Constellation" steht der freudig erregte CNN-Reporter und befragt den gerade zurückgekehrten Bomberpiloten Bill Barber wie der Fußballreporter Werner Hansch von "ran": "Waren Sie heute mit Ihrer Leistung zufrieden?" Barber sagt: "Es war eine unglaubliche Erfahrung."

Von Bagdad an die Börse

Und damit zur Börse. Auf CNBC klinkt unten am Bildschirmrand das Logo "The Price of War". Die Moderatorin befragt den Analysten Gary Thayer nach dem Einfluss des Kriegs auf die US-Wirtschaft. "Positiv, sehr positiv", sagt Gary. "Der Dow Jones ist gestiegen, die Verbraucher haben wieder Vertrauen."

Tom Brokaw, das Nachrichtengesicht von NBC, berichtet ergriffen über "unsere Jungs". Aber dann passiert etwas Unerwartetes. Nancy Chamberlain, die Mutter eines beim Hubschrauberabsturz in Kuwait getöteten Captains, hat sich in die laufende Sendung schalten lassen und erinnert daran, dass die Bilder täuschen. Dass da gerade Menschen sterben im Irak und in Kuwait. Brokaw wird ganz leise und bedankt sich: "What a wonderful statement!" Tränen hat er in den Augen.

Man hätte beinah vergessen, dass dies Fernsehspiel "America at War" ein tödliches ist.

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Michael Streck und Jan Christoph Wiechmann