Nahost-Konflikt "Völlig den Verstand verloren" – so reagiert die Welt auf Trumps Gaza-Pläne

Umsiedlung von: Trump will "Gazastreifen in Besitz nehmen" und Palästinenser umsiedeln
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Donald Trumps Expansionspläne kennen offenbar keine Grenzen: Nach Gesprächen mit Netanjahu will er den Gazastreifen übernehmen. Selbst Verbündete reagieren irritiert.

Israels Ministerpräsident reiste Anfang der Woche für Waffenruhe-Gespräche in die USA, um sich mit Donald Trump zu beraten. Das Ergebnis: Der US-Präsident will den Gazastreifen übernehmen und die dort lebenden Menschen umsiedeln.

Letzteres hatte Trump bereits vor ein paar Tagen angedeutet, als er Ägypten und Jordanien dazu aufrief, die rund zwei Millionen Menschen aus Gaza aufzunehmen. Beide Länder hatten die Forderung vehement zurückgewiesen.

Doch davon ließ sich Trump nicht beirren. Sein Plan: Die USA würden den Gazastreifen "besitzen", das Gelände räumen und wiederaufbauen. Notfalls würde er auch Truppen in das Gebiet entsenden.

Beifall dafür gab es bisher nur von Israels Ministerpräsidenten. "Er sieht eine andere Zukunft für dieses Stück Land, das der Ursprung von so viel Terrorismus war", sagte Netanjahu nach dem Treffen mit Trump im Weißen Haus in Washington. "Er hat eine andere Idee, und ich denke, sie hat unsere Aufmerksamkeit verdient. Das ist etwas, das die Geschichte verändern könnte", sagte er weiter und bezeichnete Trumps Pläne als "beachtenswert".

Arabische Länder und Hamas lehnen Trumps Pläne ab

Andere Staaten blicken kritisch auf Trumps Ideen.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wies die Pläne scharf zurück. Die legitimen Rechte der Palästinenser seien nicht verhandelbar, erklärte das Präsidentenbüro weiter. Abbas' Sprecher Nabil Abu Rudeina, der die Erklärung im Fernsehen verlas, betonte zudem, der Gazastreifen sei "ein integraler Bestandteil des Staates Palästina".

Ein hochrangiger Vertreter der radikal-islamischen Hamas sprach von einem "Rezept, um Chaos und Spannungen in der Region zu erzeugen". Die Menschen in Gaza würden solche Pläne nicht zulassen. 

Die arabischen Staaten lehnen eine Umsiedlung der Palästinenser aus dem Gazastreifen grundsätzlich ab. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben innenpolitischen Erwägungen befürchten die Länder der Region, dass eine solche Umsiedlung die israelische Kontrolle über den Gazastreifen zementieren und eine dauerhafte Vertreibung legitimieren würde. Zudem wollen sie nicht als Komplizen einer Politik gelten, die als ethnische Säuberung interpretiert werden könnte.

Eine erzwungene Migration könnte darüber hinaus als Präzedenzfall für weitere Vertreibungen dienen. Zudem drohen Spannungen innerhalb der Arabischen Liga, da die Last der Aufnahme ungleich verteilt wäre. Vor allem die Golfstaaten, die bislang nur begrenzte Verantwortung in Form von finanzieller Unterstützung für die palästinensische Bevölkerung übernommen haben, könnten unter verstärkten Erklärungsdruck geraten.

Saudi-Arabien wende sich gegen "jegliche Verletzung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes, sei es durch israelische Siedlungspolitik, Annektierung von Land oder Versuche, das palästinensische Volk von seinem Land zu vertreiben", hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Riad. Das Königreich strebt zudem einen unabhängigen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt und das Ende der israelischen Besatzung an. Nur unter diesen Bedingungen wolle man die diplomatischen Beziehungen zu Israel wieder aufnehmen, hieß es weiter

Ähnlich reagierte der palästinensische UN-Gesandte Rijad Mansur. Er appellierte an die Staats- und Regierungschefs weltweit, den Wunsch der Palästinenser auf Verbleib im Gazastreifen zu "respektieren".

Der Exekutivdirektor von Amnesty International USA sagte, die Vertreibung aller Palästinenser aus Gaza käme "ihrer Vernichtung als Volk gleich“, und betonte: "Der Gazastreifen ist ihre Heimat. Der Tod und die Zerstörung im Gazastreifen sind eine Folge davon, dass die israelische Regierung zu Tausenden Zivilisten tötet, oft mit US-Bomben."

Baerbock erteilt Trump eine Absage

Australien, das eigentlich ein Verbündeter der USA ist, nach eigenen Angaben an einer Zweistaatenlösung für den Nahostkonflikt fest. Die Haltung des Landes sei "die gleiche wie heute Morgen, wie im vergangenen Jahr", sagt Ministerpräsident Anthony Albanese vor der Presse: "Die australische Regierung unterstützt auf parteiübergreifender Basis eine Zweistaatenlösung."

Auch der britische Außenminister David Lammy betonte das Recht der Palästinenser auf ihre Heimat. "Die Palästinenser müssen in ihrer Heimat im Gazastreifen und im Westjordanland leben und gedeihen können", sagte Lammy am Mittwoch vor Journalisten bei einem Besuch in Kiew. Zuvor hatte Trump vorgeschlagen, den Gazastreifen in die Kontrolle der USA zu übergeben und die dort lebenden Palästinenser umzusiedeln.

Lammy sagte bei seinem Besuch in der Ukraine, Trump habe zwar Recht, der Gazastreifen liege in Schutt und Asche. Aber es sei die Aufgabe der Staatengemeinschaft, den Palästinensern "eine Zukunft in ihrem Heimatland zu garantieren", erklärte Lammy. Die britische Regierung habe sich immer für eine Zweistaatenlösung eingesetzt. Großbritannien wird sich laut Lammy an dem Wiederaufbau des Gazastreifens beteiligen.

Außenministerin Annalena Baerbock sagte, es seien sich "alle einig, dass Gaza so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden muss", teilte die Grünen-Politikerin in Berlin mit. 

Dazu werde es massives internationales Engagement brauchen. "Wir Europäer stehen bereit, unseren Teil gemeinsam mit den USA und den Partnern in der Region beizutragen", erklärte Baerbock.

Demokrat: "Das ist ein schlechter, kranker Witz!"

Kritik an Trumps Vorschlägen gab es auch aus den USA. Der republikanische Senator Lindsey Graham äußerte sich zurückhaltend, sagte aber, dass die Bürger seines Bundesstaates wahrscheinlich nicht begeistert wären, "Amerikaner zur Übernahme des Gazastreifens zu entsenden".

Drastischer äußerten sich die Demokraten. US-Senator Chris Murphy erklärte im Kurznachrichtendienst X, Trump habe "völlig den Verstand verloren", und warnte vor den Folgen einer US-Invasion des Gazastreifens. "Das ist wie ein schlechter, kranker Witz", schrieb er und betonte in einer weiteren Botschaft, dass die USA den Gazastreifen nicht übernehmen würden.

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Der demokratische Senator Chris Van Hollen wertete das Vorhaben Trumps als Ankündigung eines schweren Völkerrechtsbruchs. "Er hat gerade gesagt, dass es die Politik der Vereinigten Staaten sein wird, zwei Millionen Palästinenser gewaltsam aus dem Gazastreifen zu vertreiben – so etwas nennt sich auch ethnische Säuberung", sagte Van Hollen dem US-Sender MSNBC.

Ähnlich reagierte die demokratische US-Abgeordnete Rashida Tlaib. "Dieser Präsident kann diesen fanatischen Bullshit nur von sich geben, weil es überparteiliche Unterstützung im Kongress für die Finanzierung von Völkermord und ethnischer Säuberung gibt", wetterte sie. Die Palästinenser würden nirgendwo hingehen.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde aktualisiert.

Reuters · DPA · AFP
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