Saddam Hussein Tot oder lebendig

Die US-Truppen machen weiter Jagd auf Saddam Hussein, erneut durchkämmten sie die Dörfer um Tikrit, der Heimatstadt des gestürzten Diktators. Wenn er lebendig gefasst wird, gilt eine Inhaftierung im Irak als wahrscheinlich - Todesstrafe nicht ausgeschlossen.

US-Truppen sind Saddam Hussein nach eigenen Angaben dicht auf den Fersen, und wenn der frühere Diktator schließlich gefasst wird, sind seine Aussichten alles andere als rosig: Langwierige Vernehmungen, eine karge Gefängniszelle, eine Anklage wegen Kriegsverbrechen und vielleicht die Todesstrafe erwarten den Ex-Staatschef. Vergangene Woche haben amerikanische Soldaten bereits seine Söhne Odai und Kusai aufgespürt und getötet, zahlreiche Vertraute sind inzwischen ebenfalls tot oder wurden festgenommen.

US-Razzien um Tikrit

Erneut durchkämmten die Soldaten die Dörfer um Tikrit, der Heimatstadt des gestürzten irakischen Präsidenten. Ob Saddam tot oder lebendig von seinen Verfolgern gefasst wird, hängt nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums vor allem vom Ausmaß seiner Gegenwehr bei einer möglichen Festnahme ab. Die letztendliche Entscheidung werde dann aber von den beteiligten Offizieren vor Ort getroffen.

Generalleutnant Norton Schwartz sagte in Washington am Dienstag, dass bei der Jagd nach Saddam die Quellen der US-Militärs immer besser würden. Dabei kämen die Hinweise sowohl von Personen, die schon in US-Haft seien, als auch von anderen. Die Streitkräfte, die von der Spezialeinheit 20 unterstützt werden, gingen allen Hinweisen nach. Es werde angenommen, dass Saddam etwa alle drei bis vier Stunden ein neues Versteck aufsucht. Die USA haben eine Belohnung von 25 Millionen Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung Saddams führen.

"Eine Frage der Taktik"

Die Entscheidung darüber, wie Saddam gefasst wird, sei von ihm selbst sowie dem zuständigen Kommandanten vor Ort abhängig, erklärte Schwartz weiter. "Das ist eine Frage der Taktik", fügte er hinzu. "Es ist ein komplexes Thema. Es hat mit dem Charakter des Ziels zu tun. Es hängt von den Umständen ab...Und angesichts all dieser Überlegungen, wird der Offizier vor Ort die Entscheidung über Gefangennahme oder Tötung treffen."

Lawrence Di Rita, Assistent bei Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sagte, er wisse nichts von Diskussionen zwischen Rumsfeld und den US-Offizieren im Irak darüber, ob die USA Saddam lieber lebend oder tot fassen wollten. Falls Saddam lebend gefasst wird, könne er vor Gericht gestellt werden. Die USA könnten ihn zudem auch über Verstecke von Massenvernichtungswaffen befragen.

Völkerrechtsexperten warnen die Regierung von US-Präsident Bush aber davor, bei der Strafverfolgung Saddam Husseins und seiner Getreuen einen internationalen Gerichtshof auszuschließen. Die antiamerikanische Stimmung in Irak könne sich verstärken, wenn Saddam von einem US-Gericht verurteilt werde - oder von einer irakischen Regierung, die nur als Handlanger Amerikas angesehen würde. "Nachher können sie nicht sagen, ’Hätten wir es doch nur anders gemacht’", sagte der Jurist Sean Murphy von der George-Washington-Universität.

Todesstrafe nicht ausgeschlossen

Dennoch lehnen US-Behörden eine Überstellung irakischer Verdächtiger an internationale Kriegsgerichtshöfe ab. Entweder die USA oder ein irakisches Rechtssystem sollten ihre Strafen festlegen, forderte Pierre-Richard Prosper, der im Pentagon für Fragen der Kriegsverbrechen zuständig ist. Die Todesstrafe schloss er dabei ausdrücklich mit ein.

Der Aufenthaltsort Saddam Husseins wird nach dessen Festnahme streng geheim gehalten werden, um Befreiungsaktionen vorzubeugen. Als sehr wahrscheinlich gilt eine Inhaftierung in Irak, möglicherweise im Hochsicherheitslager nahe des Internationalen Flughafens von Bagdad. Irakische Kriegsgefangene zum US-Stützpunkt auf Guantanamo zu verlegen, wo bereits mehr als 600 Terrorverdächtige inhaftiert sind, ist nach Angaben von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht geplant.

Frage nach Massenvernichtungswaffen

Bei seiner Vernehmung wird Saddam Hussein mit Sicherheit danach befragt werden, wo in Irak er Massenvernichtungswaffen gelagert hat. Weder chemische noch biologische Waffen wurden in dem Land bisher entdeckt - trotz der Beteuerungen von Bush, Irak besitze solche und könne weitere herstellen.

Angeklagt werden soll Saddam schließlich wegen Kriegsverbrechen gegen US-Streitkräfte und wegen der Misshandlung amerikanischer Kriegsgefangener. Außerdem könnte er für Gewalttaten irakischer Soldaten verantwortlich gemacht werden, auch wenn er sie nicht selbst angeordnet hat: Ähnlich gingen US-Militärgerichte nach dem Zweiten Weltkrieg bereits gegen nationalsozialistische und japanische Kriegsverbrecher vor.

Verbrechen gegen das irakische Volk

Und nicht zuletzt könnte sich der frühere Diktator wegen Verbrechen gegen das irakische Volk und gegen die Menschlichkeit verantworten müssen. Auf der Liste stehen unter anderem die Angriffe gegen Kuwait 1990 und gegen irakische Kurden vor fünf Jahren, bei denen tausende Menschen ums Leben kamen. Neben den USA kündigte diesen Monat auch die irakische Übergangsregierung entsprechende Schritte an. Nach Einschätzung von Menschenrechtsgruppen kostete die mehr als 20-jährige Herrschaft Saddam Husseins hunderttausende Iraker das Leben.

Matt Kelley

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