Die CDU will die Diskussion um die Abgrenzung zur AfD möglichst schnell beenden. Besonders im Osten aber schwelt sie weiter. Als Friedrich Merz sich am Wochenende auf die Präsidiumsklausur seiner Partei vorbereitet, entschließt sich etwa der Landtagsabgeordnete Alexander Räuscher aus Sachsen-Anhalt, einen Brief an seinen Parteichef zu schreiben.
Räuscher fordert in seinem Schreiben ein schnelles Ende des offiziellen Kooperationsverbotes der CDU mit der Partei sowie der Linken. Als Aufforderung zur Zusammenarbeit will er das aber nicht verstanden wissen.
Keine Brandmauern mehr zur AfD und zu den Linken
Räuscher schreibt in dem Brief, der dem stern vorliegt: "Der Unvereinbarkeitsbeschluss, von unseren Gegnern geframed als Brandmauer, ist falsch und muss aufgehoben werden. Schnellstmöglich." Er sei, betonte Räuscher, gegen eine Zusammenarbeit mit "beiden extremistischen Parteien". Es ärgere ihn, dass er das so ausdrücklich betonen müsse, schreibt der Abgeordnete.
Räuscher argumentiert mit drei Punkten gegen das Kooperationsverbot: Die CDU sei damit von ihren politischen Gegnern links der Mitte "gemaßregelt" worden, die Medien hätten "diese Maßregelung hocherfreut übernommen" und inzwischen jubele vor allem die AfD über den "unsäglichen Beschluss".
Räuschers Kreisverband Harz hatte schon im Frühjahr nach der Bundestagswahl von sich reden gemacht. Als erste Sektion der CDU bundesweit hatte der Verband eine Aufhebung des Parteitagsbeschlusses zum Kooperationsverbot mit AfD und Linkspartei gefordert. Räuscher sagt dem stern auf Nachfrage zu seinem Brief: "Mir geht es um's Prinzip: Kooperationsverbote gehören nicht in eine Demokratie. Unser Motto muss sein: Abgrenzen, aber nicht ausgrenzen."
Räuscher gehört zu einer Handvoll Abgeordneten in der Landtagsfraktion in Magdeburg, die sich schon länger ein Ende der Brandmauer wünschen. Der 54-Jährige machte in der Vergangenheit von sich reden, weil er die Grünen vom Verfassungsschutz beobachten lassen wollte.
Räuschers Position ist längst keine Mehrheitsmeinung, aber ein Einzelfall ist sie im Osten nicht. Ähnlich äußerte sich am Wochenende der Thüringer CDU-Abgeordnete Martin Henkel auf seinem Facebook-Kanal: "Kein Volk lässt sich auf Dauer durch Mauern trennen – weder aus Beton noch aus Ideologie!", schreibt der CDU-Mann. "Die sogenannte Brandmauer dient einzig dem Machterhalt von SPD, Grünen und Linken." Es gebe klare Mitte-Rechts-Mehrheiten – im Bund wie in den Ländern. Diese Mehrheiten seien demokratisch gewählt. Eine Ausgrenzung "der stärksten Wählergruppe" sei undemokratisch.

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Friedrich Merz dagegen versuchte am Montag, diesen Vorwurf zu entkräften: "Die von der AfD immer wieder bemühte 'ausgestreckte Hand' ist in Wahrheit eine Hand, die uns vernichten will", sagte der CDU-Parteichef. Er kritisierte die "falsche Erzählung", dass die CDU mit der AfD doch alles durchsetzen könnte. "Es trennen uns nicht nur Details, es trennen uns grundsätzliche politische Überzeugungen."
Den Begriff Brandmauer, den er einst selbst in der Partei eingeführt hatte, will Merz allerdings nicht mehr verwenden. Auch das sagte er am Montag. Der Sachsen-Anhalter Abgeordnete Räuscher hält das für einen guten ersten Schritt.
"In der Politik, in der Demokratie und Diplomatie sind sogenannte Brandmauern falsch und grenzen aus", sagt der Abgeordnete. Man müsse immer auch mit seinen Gegnern reden.