Italien steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Das Land muss seinen riesigen Schuldenberg abtragen und trotz Sparkurses das seit langem schwächelnde Wachstum ankurbeln. Dieser heikle Spagat vor den Augen nervöser und skeptischer Finanzmärkte ist aber nur ein Teil des Problems, mit dem die Regierung des angeschlagenen Silvio Berlusconi zu kämpfen hat.
Richtig angespannt war das Klima am Tag der Rede Berlusconis zur Krise vor dem Parlament vor allem wegen des Defizits an politischer Glaubwürdigkeit im Land. Und das in der Urlaubszeit, in der die Politiker in Rom lieber schon Strandlektüre und Badehosen einpacken würden. Also musste der 74-jährige Medienmogul und Milliardär versuchen, die Märkte zu überzeugen, dass er es mit Sparen und dem Wachstum ernst meint. Das dürfte ihm allerdings kaum gelungen sein. Wohl um überschnelle Reaktionen und auch Spekulationen zu verhindern, hatte er vor der Rede vorsichtshalber den Börsenschluss abgewartet.
Krampfhaft versuchte der "Cavaliere", das jüngste Sparpaket seiner Regierung zu verteidigen. Börsenspekulanten wollten die "Solidität" des Landes nicht anerkennen, die Finanzkrise sei im übrigen eine globale Sache. Was Italien zum Schuldenabbau jetzt brauche, das sei ein Zusammenspiel aller für Wachstum und Investitionen. Berlusconi zeigte sich, seinem Temperament gemäß, davon überzeugt, so auf dem richtigen Weg zu sein: "Wir haben solide wirtschaftliche Fundamente."
Einmal wenigstens sollte sich Berlusconi jetzt allein auf die Interessen seines schmerzhaft betroffenen Landes konzentrieren, fordern manche Kritiker des "Cavaliere". Andere sehen nur in ihm das Glaubwürdigkeitsproblem Italiens und wollen ohne Berlusconi die Fahrt aus dem Jammertal versuchen. Von seiner Rede waren sie enttäuscht. Berlusconi könne nicht so tun, "als gebe es nur ein paar Wolken an einem azurblauen Himmel", so Oppositionsführer Pier Luigi Bersani.
Als allererstes gelte es jetzt einen Flächenbrand zu verhindern, flehte zuvor der rechtsliberale "Corriere della Sera". Denn auch am Tag der seit längerem ausstehenden Erklärungen Berlusconis zu seinen Anti-Krisen-Strategien öffnete die Mailänder Börse im Minus. Und der Renditeabstand zwischen zehnjährigen Staatsanleihen Italiens und Deutschlands verzeichnet neue Rekordwerte seit Einführung des Euro.
Kein Wunder also, dass Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti in Rom und dann auch auf EU-Ebene von einem Krisentreffen zum anderen eilen musste. Unterdessen hatte sich Staatspräsident Giorgio Napolitano einmal mehr mit dem auch bei Berlusconi sehr gefragten Notenbankchef (und zukünftigen Präsidenten der Europäischen Zentralbank) Mario Draghi beraten - und energisches Handeln verlangt.
Genau daran hat es die zerstrittene Mitte-Rechts-Regierung in Rom bislang fehlen lassen. Zwar verabschiedete das Parlament Mitte Juli ein Sparpaket von 48 Milliarden Euro. Doch dieses hat einen großen Haken. Nur etwa ein Fünftel des Sparvolumens betrifft noch die derzeitige Regierung, die regulär bis zum Frühjahr 2013 amtiert.
Alles andere bürdet das Sparpaket der nächsten Exekutive auf. Auch das Ziel, 2014 einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu erreichen, gilt vielen damit eher als Kosmetik. Und wie kann dieses Land mit seinem stagnierenden Wachstum für Investoren attraktiver werden? Es häufen sich Fragen über Fragen bei nur wenigen Antworten auch nach der Rede.
Eine "Wende" verlangen vor allem auch soziale Akteure, Unternehmen, Handel und Gewerkschaften, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken und das ersehnte Wachstum zu stemmen. Italiens Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Sparer seien es jedenfalls nicht, die das Misstrauen der Märkte verdienten, so meint der angesehene "Corriere della Sera". Eher schon die Politik. Also Berlusconi.