Seit Monaten rasselt China mit dem Säbel in Richtung Taiwan. Das "Reich der Mitte" sieht die demokratische Inselrepublik als Teil des eigenen Staates. Was aber würde geschehen, wenn China tatsächlich eine Invasion starten würde? Genau dieser Frage haben sich Autoren des Zentrums für internationale und strategische Studien (CSIS) in einer Kriegssimulation gewidmet. Sie kommen zu dem Ergebnis: Sollte China Taiwan im Jahr 2026 angreifen, würde eine Invasion scheitern. Der Inselstaat würde als demokratische Republik bestehen bleiben, vorausgesetzt die USA und Japan würden ihr Versprechen halten und Taiwan massiv militärisch unterstützen.
Kriegssimulation: Invasion Chinas in Taiwan würde scheitern – aber nur unter gewissen Umständen
Nach eigenen Angaben haben die Autoren der Studie ein sogenanntes "War Game" eines chinesischen Angriffs konstruiert und es 24 Mal von Computern simulieren lassen. Demnach würde die Invasion in den meisten Fällen scheitern – zu einem hohen Preis für alle beteiligten Kriegsparteien.
Die USA haben mehrmals versichert, dass sie die Unabhängigkeit Taiwans gegen einen Angriff Chinas schützen werden. Japan hingegen verhält sich im Szenario neutral, unterstützt die USA aber, sobald sie in den Krieg eintritt. Zudem würde das Land den US-Streitkräften gestatten, ihre Militärbasen zu nutzen.
Laut den Berechnungen würde China eine sogenannte "amphibischen" Invasion auf Taiwan starten. Das bedeutet, der Angriff würde mit einem Eröffnungsbombardement durch China beginnen, das den größten Teil der taiwanesischen Marine und Luftwaffe innerhalb weniger Stunden vernichten würde. Die chinesische Marine würde Taiwan einkesseln und damit beginnen, eine Landungstruppe mit Tausenden von Soldaten und deren Ausrüstung über die Formosastraße zu bringen – einer 180 Kilometer breiten Meerenge zwischen China und Taiwan. Das wahrscheinlichste Szenario wäre, dass die taiwanesischen Truppen versuchen würden, Chinas Streitkräfte an der Küste aufzuhalten, so der Bericht.
Die Forscher gehen davon aus, dass eine Intervention der USA wenige Tage nach dem ersten chinesischen Angriff erfolgen würde. Solange würde es dauern, bis sich der Generalstab einen Überblick über die Situation verschafft und die Mobilmachung durchgeführt habe. In dieser Zeit müssten sich die taiwanischen Streitkräfte mit aller Kraft wehren und verhindern, dass die chinesischen Truppen Stützpunkte auf der Insel errichten. Nur dann habe Taiwan eine Chance, einen chinesischen Angriff abzuwehren.
USA müsste volle Kapazitäten ihrer Armee ausschöpfen, um Taiwan zu schützen
In der Zwischenzeit würden US-U-Boote, Bomber und Kampfflugzeuge, verstärkt durch japanische Selbstverteidigungskräfte, die chinesische amphibische Flotte "schnell lahm legen", heißt es in dem Bericht. "Chinas Angriffe auf japanische Stützpunkte und US-Überwasserschiffe können an diesem Ergebnis nichts ändern: Taiwan bleibt autonom", so die Autoren.
Die Forscher betonen aber, dass die Vereinigten Staaten ihre vollen Kapazitäten der Armee und Stützpunkte in Japan nutzen müssten, um Taiwan zu unterstützen. Andernfalls sei es nicht möglich, die Schlagkraft insbesondere ihrer Luftstreitkräfte auszuschöpfen. Verzögerungen oder ein halbherziges Eingreifen würden die Opferzahlen deutlich erhöhen und die Verteidigung der Insel erschweren, so die Wissenschaftler.
USA und China müssten sich auf tausende Tote einstellen – Grundversorgung auf Taiwan würde zusammenbrechen
Selbst wenn aus Sicht von Taiwan und der USA alles optimal laufen würde, wäre der Konflikt ein überaus blutiger, so die Autoren der Studie. In den Modellrechnungen kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Vereinigten Staaten und Japan sich darauf einstellen müssten, hohe Verluste in Kauf zu nehmen, um Taiwan zu schützen. Wörtlich heißt es: "Die Vereinigten Staaten und Japan verlieren Dutzende von Schiffen, Hunderte von Flugzeugen und Tausende von Soldaten. Solche Verluste würden die globale Position der USA für viele Jahre schädigen."
In den durchgespielten Szenarien würde China zwei amerikanische Flugzeugträger und zehn bis 20 weitere Kriegsschiffe versenken. 3200 US-Soldaten könnten innerhalb von nur drei Wochen getötet werden. Taiwans Streitkräfte würden laut Simulation zwar nicht ganz besiegt, aber stark geschwächt.
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Noch härter würde es demnach die chinesische Armee treffen. Nicht nur, dass China in den meisten Simulationen mit seiner Invasion scheitern würde, es könnten auch rund 10.000 Soldaten fallen und zehntausende weitere in Kriegsgefangenschaft landen. China würde 155 Flugzeuge und 138 Kriegsschiffe verlieren. Laut der Autoren würde die chinesische Marine "in Trümmern liegen."
Simulationen legen viele unbekannte Variablen offen
Die Autoren betonen, dass die Kriegssimulation einige Aspekte nicht berücksichtigt. Zunächst gingen die Simulationen davon aus, dass Taiwan bei einem chinesischen Angriff nicht kapituliert. Das Land müsse also entschlossen sein, zurückzuschlagen.
Zweitens wäre es von elementarer Bedeutung, dass Japan den amerikanischen Streitkräften tatsächlich genehmige, seine Militärstützpunkte zu nutzen. Zudem könne man weiche Variablen wie etwa die Kriegsmoral nicht vorhersehen. Ein gutes Beispiel hierfür sei die derzeitige Kampfbereitschaft der Ukraine gegen den Angriff Russlands.
Ebensowenig sei zu prognostizieren, ob die Öffentlichkeit in den USA und Japan bereit wäre, etwaige Verluste in Kauf zu nehmen, um Taiwan zu schützen. Insbesondere mit Blick darauf, dass hierdurch die Machtposition Washingtons auf Jahre hin geschwächt würde.
Eine letzte unbekannte Variable sei, ob die USA bereit wäre, auch chinesisches Hoheitsgebiet anzugreifen und somit einen Atomkrieg zu riskieren.
Doch auch wenn es nicht zu einer nuklearen Auseinandersetzungen kommen würde, sei es nötig, dass sowohl Taiwan als auch die USA ihre Streitkräfte aufstocken und sich dabei auf die überlebensfähigsten und effektivsten Waffen konzentrieren, um eine chinesische Invasion besser abwehren zu können, so die Autoren.
Quellen: CSIS, Mit Material von DPA