Es geschah zu einer Zeit, als die meisten Urlauber in der Sonne entspannten. Sie lagen am Pool oder am Strand, als ein bewaffneter Mann gegen Mittag die Anlage des "Imperial Marhaba Hotel" betrat und begann, auf Touristen zu schießen.
Ein Ehepaar aus Bayern war erst 20 Minuten zuvor im tunesischen Mittelmeerbadeort Port el-Kantaoui angekommen, da fielen die ersten Schüsse. "Der Mann hielt die Waffe am Bein und gab immer wieder ganz gezielt einzelnen Schüsse ab", sagte der etwa 50-Jährige Tourist, der seinen Namen nicht nennen wollte. Der schwarz gekleidete Attentäter tötete zunächst Menschen am Strand und am Pool und ging dann weiter in die Hotelhalle, wie mehrere Augenzeugen berichtete.
"Er ging den Flüchtenden hinterher und erschoss einen, der sich hinter einer großen Vase versteckt hatte", erzählt der deutsche Urlauber, der die schrecklichen Szenen gemeinsam mit seiner Frau von einer Galerie im ersten Stockwerk aus beobachtete. Der Täter - ein tunesischer Student mit schwarzem Haar und ohne Bart - sei ganz ruhig geblieben. "Er ist nicht gerannt und hat nicht geschrien." Nach etwa einer halben Stunde sei alles vorbei gewesen. "Wir haben noch einen Briten mit Bauchschuss erstversorgt", sagt der Deutsche. "Was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht. Aber den Blutgeruch habe ich noch in der Nase."
3000 Tunesier in den Dschihad gezogen
Nach dem Terrorangriff auf das berühmte Bardo-Museum in Tunis März ist dies schon das zweite Attentat auf Touristen innerhalb von vier Monaten in dem nordafrikanischen Land. Bei der Attacke auf das Bardo-Museum waren mehr als 20 Menschen getötet worden. Diesmal sind es fast doppelt so viele. Ein Alptraum für das Land, dass hochgradig vom Tourismus abhängig ist.
Dschihadisten drohen Tunesien schon seit Monaten mit weiteren Anschlägen. Aus dem kleinen Land sind nach Regierungsangaben auch gut 3000 Menschen in den Dschihad nach Syrien und in den Irak gezogen - sie haben sich der Terrormiliz Islamischer Staat oder der Al Kaida angeschlossen.
Leichen auf Liegestühlen
Im Hotel "Imperial Merhaba" versammeln sich am Abend Gäste an der Rezeption, viele haben Tränen in den Augen. Einige haben ihre Koffer gepackt und hoffen, möglichst bald abreisen zu können. An Urlaub ist in der Anlagen auch nicht mehr zu denken. Auf weißen Liegestühlen nahe der Pools liegen Leichen in schwarzen Tüchern eingehüllt. Internationale Botschaftsmitarbeiter sind angereist, um die Toten zu identifizieren.
In den Glastüren der Eingangshallen sind Einschusslöcher zu sehen. An der Auffahrt liegt ein Gartenschlauch, aus dem Wasser fließt und das Blut wegschwemmt. Auch das Ehepaar aus Bayern hofft, noch einen Flug in der Nacht zu erwischen. "Den Urlaub fortzusetzen, kommt auf keinen Fall in Frage."