Die EU-Staaten und das Europaparlament haben sich am Mittwoch im Grundsatz auf die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) geeinigt. Nach jahrelangem Streit will die EU damit die Lehren aus den Jahren 2015 und 2016 ziehen, als allein nach Deutschland mehr als eine Million Menschen kamen:
Worum geht es bei der Asylreform der EU?
Im Kern geht es bei den fünf Gesetzestexten um schärfere Asylregeln sowie eine Entlastung von Hauptankunftsländern wie Italien oder Griechenland. Die Asylagentur der Europäischen Union rechnet in diesem Jahr mit mehr als einer Million Anträge, das wäre der höchste Wert seit 2015 und 2016. Knapp ein Drittel davon dürfte auf Deutschland entfallen.
Was ist an Europas Außengrenzen vorgesehen?
Erstmals soll es direkt an den EU-Grenzen Asylverfahren geben, um Migranten mit besonders geringen Aufnahmechancen an der Weiterreise zu hindern. Dies betrifft etwa Menschen aus Marokko, Tunesien oder Bangladesch, die eine höchstens 20-prozentige Anerkennungsquote in der EU haben.
In die Grenzverfahren kommt auf Druck der Mitgliedsländer auch, wer als "Gefahr für die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung" eingestuft wird oder die Behörden in die Irre geführt hat, etwa mit einem falschen Pass. Alle Betroffenen erhalten auf Veranlassung des EU-Parlaments einen kostenlosen Rechtsbeistand.
Was passiert bei den Grenzverfahren?
Die Migranten sollen in Grenznähe festgehalten und von dort aus direkt abgeschoben werden. Juristisch werden sie dabei als nicht eingereist betrachtet. Das Asylverfahren und die Rückführung sollen im Regelfall bis zu zwölf Wochen dauern. Die Mitgliedsländer wollen zunächst 30.000 Plätze in Grenzlagern schaffen, nach vier Jahren sollen es 120.000 sein.
Aus diesen Ländern beantragen die meisten Menschen Asyl in Deutschland

Zwischen Neujahr und Ende Mai 2024 haben 1623 Menschen aus Guinea in Deutschland einen Asylantrag gestellt.
Warum war dies umstritten?
Die Bundesregierung und insbesondere die Grünen pochten darauf, neben unbegleiteten Minderjährigen auch Familien mit Kindern von den Grenzverfahren auszunehmen. Dieses zentrale Anliegen scheiterte jedoch. Das EU-Parlament setzte aber im Sinne Deutschlands durch, dass Familien mit Kindern als letzte in die Grenzverfahren kommen, ihre Anträge als erste bearbeitet werden und sie "geeignete Aufnahmebedingungen" vorfinden. Die EU-Asylagentur soll dies überwachen.
Wo soll es noch Asylverfahren geben?
Die Mitgliedsländer können Asylbewerber in "sichere Drittstaaten" wie Tunesien oder Albanien zurückschieben. Migranten sollen eine "vernünftige Verbindung" zu dem Drittstaat haben, Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem bekommen sowie "ausreichende Mittel zum Lebensunterhalt". Eine einheitliche EU-Liste sicherer Drittstaaten oder Herkunftsländer gibt es vorerst nicht.
Was ist bei der Verteilung von Migranten geplant?
Auch künftig ist das Land der ersten Einreise in der Regel für einen Asylantrag zuständig. Es greift aber ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus, um jährlich mindestens 30.000 Migranten aus Italien oder Griechenland umzuverteilen. Auf Deutschland kämen theoretisch rund 6600 Menschen zu, allerdings können Aufnahmen aus den Vorjahren abgezogen werden. Nicht aufnahmewillige Staaten wie Ungarn können sich zudem mit 20.000 Euro pro Migrant freikaufen oder Projekte in Drittländern finanzieren.

Was ist mit der Erfassung der Migranten?
Bislang kommen zahlreiche Menschen unregistriert in Deutschland an. Dies soll sich mit der Reform ändern. Grenzländer wie Italien oder Griechenland sollen biometrische Fingerabdrücke oder Fotos der Migranten in der Eurodac-Datenbank der EU registrieren. Erstmals sind Kinder ab sechs Jahren davon betroffen, bisher galt 14 als Altersgrenze. Wer ein "Sicherheitsrisiko" darstellt, soll speziell gekennzeichnet werden, vor allem bei Verbindungen zu "Terrorgruppen". Der Schnell-Check soll maximal sieben Tage dauern.
Was passiert bei Ankunft besonders vieler Geflüchteter?
Das regelt eine Krisenverordnung. Auch Migranten mit bis zu 50-prozentiger Anerkennungsquote sollen dann die Grenzverfahren durchlaufen, sie können dann sogar 18 statt zwölf Wochen festgehalten werden.
Wenn Geflüchtete "instrumentalisiert" werden, sollen sie auf Druck der Mitgliedsländer vollständig in Grenzverfahren geschickt werden. Das träfe dann auch Syrer oder Afghanen treffen, die mit die höchsten Anerkennungschancen haben. Zuletzt hatte die EU Russland vorgeworfen, Menschen als politisches Druckmittel einzusetzen.
Wie geht es weiter?
Mitgliedsländer und Europaparlament wollen den Asylpakt bis zur Europawahl Anfang Juni unter Dach und Fach bringen. Danach haben die EU-Länder zwei Jahre Zeit zur Umsetzung. Im Sommer, wenn wieder besonders viele Migranten in Europa erwartet werden, greift die Reform noch nicht.