Die Proteste in Thailand gegen die neue Regierung spitzen sich dramatisch zu: 85 Demonstranten der konservativen außerparlamentarischen Opposition (PAD) sind bei Ausschreitungen vor dem Parlamentsgebäude verletzt worden, sieben von ihnen schwer, einem wurde das linke Bein abgerissen, einem anderen die Hand. "Das ist barbarisch, wir hätten nicht gedacht, dass die Polizei uns angreift", sagte eine 53-Jährige, die am Kopf verletzt war. Sanitäter berichteten von Verletzungen durch Gummigeschosse - obwohl die Polizei deren Einsatz ausgeschlossen hatte. Eine Frau wurde durch die Explosion eines Autos in Parlamentsnähe getötet. Die Umstände waren unklar, doch sprach die Polizei von einer Bombe.
Die Oppositionellen protestieren seit sechs Wochen gegen die Regierung von Somchai Wongsawat. Sie werfen ihm vor, eine Marionette des früheren Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra zu sein, der 2006 bei einem Militärputsch gestürzt wurde und im Exil lebt. Somchai ist ein Schwager von Thaksin. Sie fordern die Regierung zur Auflösung des Parlaments auf. "Sonst werden wir scharfe Maßnahmen gegen die Regierung ergreifen", drohte der prominente PAD-Vertreter Sonthi Limthongkul.
Die PAD hatte im Jahr 2006 bereits gegen die damalige Regierung Thaksin protestiert, bevor dieser durch einen Militärputsch entmachtet wurde. Im August organisierte die Partei wieder Proteste, diesmal gegen Regierungschef Samak Sundaravej, der ebenfalls als Thaksin-Vertrauter galt, schließlich aber wegen seiner Teilnahme an einer Fernsehkochshow zurücktreten musste.
Nun eskalierte der Protest: Tausende von Demonstranten belagerten das Parlamentsgebäude, in dem der neue Premier seine Antrittsrede halten wollte. Die Oppositionellen errichteten Barrikaden und versperrten so einen der vier Eingänge des Parlamentsgebäudes mit einer Kette. Die thailändische Polizei rückte daraufhin gegen die protestierende Menge vor und zerstreute sie mit dem Überraschungsangriff. Offiziell seien die Polizisten unbewaffnet gewesen, doch Zeugen wollen mehrmals Schüsse gehört haben, dabei habe es sich um Tränengas gehandelt, hieß es aus Reihen der Polizei.
Die Demonstranten zogen sich nach dem Überraschungsangriff zunächst zurück, wollten ihren Protest aber nicht aufgeben. Einige bewaffneten sich mit Eisenstangen und Holzstöcken. "Ich rufe unsere Anhänger im ganzen Land auf, nach Bangkok zu kommen und uns zu unterstützen", rief einer der Anführer, Somsak Kohsaisuk. "Die Polizei zielt mit Tränengas, Bomben und Gewehren auf uns."
Sitzung findet mit Verspätung statt
Trotz der Ausschreitungen fand die Parlamentssitzung statt, allerdings mit 90-minütiger Verspätung. Wongsawat musste per Helikopter fliehen, hunderte Abgeordnete saßen auf dem umstellten Gelände fest. Somchai Wongsawat und dessen Regierung haben mittlerweile Büros in einem stillgelegten Flughafen der thailändischen Hauptstadt bezogen. Als erste Konsequenz der schweren Unruhen ist der stellvertretende thailändische Regierungschef zurückgetreten. Chavalit Yongchaiyudh übernahm die politische Verantwortung für die Zusammenstöße. Er war im Kabinett für Sicherheitsfragen zuständig und galt als Schlüsselfigur zur Lösung der andauernden politischen Krise in Bangkok. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten stimme nicht mit dem überein, was er "versprochen" habe, erklärte Chavalit in einer handschriftlichen Erklärung.
Am Abend spitzte sich die Konfrontation in der Hauptstadt Bangkok erneut zu. Die Armee kündigte den Einsatz unbewaffneter Soldaten zur Unterstützung der Polizei an. Die feuerte die Polizei erneut Tränengasgranaten. Die Abgeordneten rannten in dem Chaos durch einen Seiteneingang ins Freie. Die Demonstranten griffen die Polizei mit Wurfgeschossen an und verletzten mehrere Beamten. Einer wurde nach Angaben von Augenzeugen zwei Mal überfahren.