Thomas Seifert Bagdad im Zeichen der Luftangriffe

Thomas Seifert ist Reporter des österreichischen Magazins "News". Seit Beginn des Irak-Krieges berichtet er auch für den stern aus Bagdad.

Thomas Seifert ist Reporter des österreichischen Magazins "News". Seit Beginn des Irak-Krieges berichtet er auch für den stern aus Bagdad.

Bagdad bleibt gelassen. Vielleicht liegt es daran, dass dieser Krieg zwei Wahrheiten kennt. Die US-Version und die Irakische.

Zwei Wahrheiten

In der US-Version wurde bisher Saddam Hussein beim Bombardement der ersten Nacht nur knapp verfehlt, die Bomben der zweiten Nacht galten angeblich dem irakischen Premier, Tarik Aziz. Die Offensive der Bodentruppen verläuft erfolgreich, es gibt kaum Widerstand. Viele Soldaten ergeben sich den alliierten Truppen. Zwei T72-Panzer sind zerstört, die britisch-amerikanische Koalition stößt praktisch ungehindert vor.

"Mörder" und "Verbrecher"

Der irakische Informationsminister Mohammed Said El Sahaf präsentierte am Nachmittag seine Version der laufenden Ereignisse. 14 Menschen seien bei den Angriffen verletzt worden, die Briten und Amerikaner seien eine Bande von "Mördern" und "Verbrechern". Sie seien "Aussätzige der Staatengemeinschaft". Die Luftangriffe, so die Information El Sahhafs, hätten dem Vorort Daura im Westen von Bagdad gegolten. Hinter dem Minister waren auf einer Tafel Fotos verletzter Zivilisten angebracht, die nach den Angriffen angeblich in Krankenhäuser eingeliefert worden sind. Die Angriffe der Koalition seien nutzlos, "wir kennen ihre Strategie", sagte der irakische Informationsminister.

Unglaubliche Präzision

Über Bagdad liegt der Nebel des Krieges. Ein Ziel der Cruise Missiles, das Planungsministerium, präsentierte sich heute vollständig zerstört. Mit unglaublicher Präzision wurde das Gebäude offenbar von mehreren Bomben getroffen, nur noch die Fassade scheint intakt. Die Frage, ob der Angriff den auf dem Dach postierten Flugabwehrgeschützen gegolten hatte, oder ob das Gebäude selbst Ziel des Bombardements war, können wohl nur die Militärplaner des CENTCOM (Zentrales Oberkommando) in Katar beantworten.

Opfer der "chirurgischen Schläge"

Jeder Journalist konnte sich heute auf dem Weg vom Hotel Palestine zum Informationsministerium von der Präzision der US-Munition überzeugen. Trotz der amerikanischen Version von den "chirurgischen Schlägen": Auch beim Einsatz von Präzisionsbomben sterben Menschen. Bei diesem Angriff sind, so heißt es hier, fünf Menschen ums Leben gekommen. Ein Zivilist und vier Soldaten.

Ruhe in Bagdad

Unglaublich ist die Ruhe in Bagdad: Die Koalitions-Truppen rücken immer weiter vor, doch von Nervosität ist nichts zu spüren. Arasat-Al-Hindia, Karrada, Sadoon Street - in allen wichtigen Straßen sind die Geschäfte weiter geschlossen. Es sind auch kaum Geldwechselstuben geöffnet, die Kreuzungen werden immer noch von gemütlich aussehenden, korpulenteren Soldaten bewacht, die sich hinter Sandsäcken verschanzt haben. Der Krieg rückt näher an Bagdad heran.

print
Thomas Seifert