Tiflis Für Schewardnadse führt kein friedlicher Weg zurück

Wie ein geschlagener Mann ist Georgiens Präsident, der fast 76-jährige Eduard Schewardnadse, am Samstag aus dem Regierungsviertel von Tiflis geflohen.

Wie ein geschlagener Mann ist Georgiens Präsident, der fast 76-jährige Eduard Schewardnadse, am Samstag aus dem Regierungsviertel von Tiflis geflohen. Mit Maschinenpistolen im Anschlag mussten ihm Leibwächter den Weg aus einer Menge von Oppositionsanhängern bahnen. Fahnenschwenkend feierten diese vor dem Parlament den Sieg ihrer unblutigen "samtenen Revolution". "Mischa, Mischa!" skandierten sie und meinten Georgiens neuen starken Mann, den Oppositionsführer und Ex-Justizminister Michail Saakaschwili (35).

Am Samstagabend war die Entwicklung in Georgien völlig offen. Doch ohne Blutvergießen schien es für Schewardnadse keinen Weg mehr zurück in den Präsidentensitz in Tiflis zu geben. Gegen die siegreiche Menge, die das Parlamentsgebäude besetzt hielt, hätte es eines massiven Militäreinsatzes bedurft. Schewardnadse flüchtete sich in eine Kaserne und verhängte den Ausnahmezustand. Damit fällt den georgischen Streitkräften die entscheidende Rolle in dem Machtkampf zu.

Streitkräfte schützen den Staat

"Ich warne Verteidigungsminister David Tewsadse", erklärte die bisherige Parlamentsvorsitzende Nino Burdschanadse, eine der Führerinnen der Opposition. "Ich sage ihm, dass die Streitkräfte Georgiens nicht nur den Präsidenten, sondern den Staat als Ganzes und jeden einzelnen Bürger schützen müssen."

Turbulenter Samstag

Schon der turbulente Samstag in Tiflis hatte gezeigt, dass der Präsident sich nicht mehr vollständig auf die Sicherheitskräfte verlassen konnte. Als die von Saakaschwili geführten Demonstranten zum Präsidialamt marschierten, machte die Polizei Platz. Die Oppositionellen gaben den Polizisten Bruderküsse oder schenkten ihnen Blumen. Offenbar hinderten die Sicherheitskräfte Saakaschwili auch nicht am Eindringen in das Parlament und zogen sich schließlich ganz aus der Konfliktzone zurück.

Zunehmend unbeliebt

Ein möglicher Rücktritt Schewardnadses würde das Ende einer Ära für Georgien bedeuten. Über Jahrzehnte hat er sein Heimatland regiert, zunächst als kommunistischer Parteichef, dann seit 1992 als Führer des unabhängigen Georgiens. Doch die Korruption seines Familien-Clans und die Verarmung der einst reichsten Sowjetrepublik mit fünf Millionen Einwohnern machten ihn zunehmend unbeliebt.

Ein Unsicherheitsfaktor der Entwicklung sind auch der große Nachbar Russland und die USA, die beide geopolitische Interessen in Georgien haben und in dem Machtkampf hinter den Kulissen die Fäden gezogen haben. Das Szenario von Saakaschwili und Burdschanadse sieht vor, Parlament und Präsident schnell neu wählen zu lassen. Doch auch ein völliger Zerfall des ohnehin gespaltenen Georgiens scheint nicht ausgeschlossen.

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Friedemann Kohler, dpa