TV-Interview Palin mogelt sich durch

Von Matthias B. Krause, New York
Keine großen Patzer, aber viel Gewackel: Sarah Palin hat ihr erstes TV-Interview seit ihrer Nominierung als Vizekandidatin überstanden. Doch bei Fragen zu Terrorismus, Russland und dem Irak wusste sie nicht zu überzeugen. Eine Schwachstelle, die ihr noch schaden könnte.

Der Interviewer scharrte sichtlich unzufrieden mit den Füßen, zog bisweilen ungläubig die Augenbraue hoch und einmal entfuhr ihm gar das Wort „Anmaßung“. Doch Sarah Palin ließ sich nicht beirren. Die Schultern im schokoladenbraunen Jacket nach vorne geschoben, das Kinn vorgestreckt, die Hände zu Hilfe nehmend, die Beine fest übereinandergeschlagen redete und redete die Frau, die Republikaner John McCain als Vizepräsidentin im Weißen Haus sehen will. Natürlich wussten alle Beteiligten, was auf dem Spiel stand.

Palin, 44, musste in ihrem ersten Gespräch mit einem Journalisten seit ihrer Berufung vor zwei Wochen beweisen, dass sie mehr ist als eine Luftnummer, ein billiger Polit-Trick, um die republikanische Basis zu begeistern. Und Charles Gibson, der ABC-Nachrichtenmoderator, dem die Republikaner das Exklusivinterview gewährten, weil er auf dem Parteitag in St. Paul vor einer Woche McCain mit Samthandschuhen angefasst hatte, musste zeigen, dass er auch hart nachfassen kann.

Nicht zu hart natürlich, denn dann würden die Republikaner wieder „Sexismus“ schreien, so wie sie es mit dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama getan hatten. Oder sie würden ihn „elitär“ schimpfen. In dem ersten Teil, den ABC am Donnerstagabend ausstrahlte, zog sich Palin glimpflich aus der Affäre. Zwei Tage lang hatte McCains Wahlkampfteam sie intensiv gebrieft – und das zeigte sich. Palin trat auf wie eine Abiturientin zur Prüfung. Wenn sie eine Gelegenheit fand, die „Talking Points“ unterzubrigen, die sie ihr mit auf den Weg gegeben hatten, hellte sich ihre Miene auf und sie klang, als gebe sie etwas wieder, das sie in der Nacht zuvor im Lehrbuch gelesen hatte. Wenn sie nicht weiter wusste, griff sie zu dem Trick, den alle kennen, die mehr als eine mündliche Prüfung hinter sich gebracht haben: Sie redete und redete und versuchte am Gesichtsausdruck ihres Gegenübers abzulesen, wann sie die richtigen Stichworte fallen ließ.

Nur wenig außenpolitische Erfahrung

„Ich gehe hier gerade in einem Blizzard der Worte unter“, knurrte Gibson an einem Punkt leicht genervt, „war das jetzt ein Ja?“ Er hatte von Palin wissen wollen, ob die amerikanische Regierung in ihren Augen das Recht habe, gegen islamische Terroristen im Grenzland zwischen Afghanistan und Pakistan vorzugehen, ohne sich von der Regierung in Islamabad eine Erlaubnis einzuholen. „Wir dürfen nicht zögern, Charlie, diese harten Entscheidungen zu treffen“, hatte Palin geantwortet. Auf die Nachfrage hin sagte sie noch zwei Mal: „Alle Optionen müssen auf dem Tisch sein.“ Zu einem Ja oder einem Nein mochte sie sich nicht durchringen.

Wirklich eindeutig war die Frau, die seit 20 Monaten Gouverneurin von Alaska ist und zuvor Bürgermeisterin einer Kleinstadt war, nur am Anfang des Interviews. Gefragt, ob sie Amerika in die Augen blicken und sagen könne, sie sei befähigt, notfalls auch die Präsidentschaft zu übernehmen, antwortete sie: „Ja, Charlie. Ich bin bereit.“ Als anmaßend mochte sie das nicht empfinden: „Man kann nicht zögern, man muss in einer besonderen Weise gestrickt sein, um sich so für die Mission einzusetzen. Die Mission, auf der wir sind, die Reform dieses Landes und der Sieg in dem Krieg. Man kann nicht zögern.“ Als Gibson weiterbohrte, gab sie zu, noch nie ein Staatsoberhaupt getroffen zu haben. Gereist sei sie bislang nur nach Kanada und Mexiko und dann im Frühjahr, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Reisepass bekam, nach Kuwait und nach Deutschland, um die amerikanischen Truppen zu besuchen. Der Trip habe ihr Leben verändert.

Palin glaubt an einen Plan Gottes

Immerhin erreichte Palin mit ihrem Sturm der Worte, dass es schwierig war, daraus eine knackige Schlagzeile zu stricken. ABC pries das Exklusiv-Interview zunächst mit der Aussage an, Palin sei bereit, gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Dabei hatte sie nur dafür plädiert, die Ukraine und Georgien in die Nato aufzunehmen und dann eingestanden, dass die USA laut Nato-Doktrin diesen Ländern zur Seite stehen müsse, falls Moskau sie angreife. Das hatte sie gut gelernt, dafür wusste sie nichts mit Gibsons Frage nach der „Bush-Doktrin“ anzufangen. Sie schob ihr Kinn nach vorne, blickte ihrem Gegenüber noch fester in die Augen und versuchte es mit einer Gegenfrage. Als das nicht funktionierte, brabbelte sie irgendetwas vom Krieg gegen den Terrorismus, den man besser machen könne, als das Präsident George W. Bush bislang getan habe - bis Gibson sie endlich aufklärte. Er habe die Festlegung des Präsidenten gemeint, einen präventiven Krieg zu führen, falls das Land bedroht sei.

Eine andere heikle Frage war die nach ihrem Auftritt in ihrer Kirche, in dem sie den Irak-Krieg als „eine Aufgabe Gottes“ bezeichnet hatte. Zuerst versuchte sie sich herauszuwinden, dann behauptete sie, Abraham Lincoln zitiert zu haben. „Also gibt es einen Plan Gottes?“, fragte Gibson. Palin antwortete wiederum mit einem Schwall von Worten, nicht immer zusammenhängend, aber mit fester Stimme vorgetragen: „Ich glaube, es gibt einen Plan für diese Welt, und dieser Plan ist für immer. Ich glaube, es gibt große Hoffung und großes Potential für jedes Land, in der Lage zu sein zu leben und geschützt zu sein mit unveräußerbaren Rechten, von denen ich glaube, sie sind Gott-gegeben, Charlie. Und ich glaube, dass dies die Rechte auf Leben und Freiheit und das Streben nach Glück sind.“

Am Ende bekam jeder, was er wollte. Palins Kritiker durften sich bestätigt sehen, dass es sich bei ihr um ein politisches Leichtgewicht handelt. Ihre Fans bescheinigten ihr, keine großen Fehler gemacht zu haben. Gibson, wäre er tatsächlich ein Prüfer, hätte vielleicht eine 4+ vergeben. Oder eine 3-. Das reicht angesichts der Euphorie an der Basis auf jeden Fall, um weiter mit Macht das Amt anzustreben, für das sie McCain nominierte.