Vor dem Treffen von US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin zum Krieg in der Ukraine rückt die Debatte um mögliche Gebietsabtretungen des von Russland angegriffenen Landes in den Mittelpunkt. Nato-Generalsekretär Mark Rutte machte deutlich, dass sich Gespräche über die von Russland kontrollierten Gebiete bei künftigen Verhandlungen kaum vermeiden ließen.
"Wir müssen im Moment zur Kenntnis nehmen, dass Russland einen Teil des ukrainischen Territoriums kontrolliert", sagte Rutte dem US-Sender ABC News. Nach einer Waffenruhe werde sich die Frage stellen, wie es in territorialen Fragen und mit Blick auf mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine weitergehe. Zugleich betonte der Nato-Chef, die Ukraine sei ein souveräner Staat, der seine geopolitische Zukunft selbst bestimme.
In territorialen Fragen sei es wichtig, zwischen einer "de facto" und einer "de jure" Anerkennung zu unterscheiden, sagte Rutte. Eine mögliche Einigung könne etwa festhalten, dass Russland faktisch bestimmte Gebiete kontrolliere, ohne dass diese Kontrolle rechtlich akzeptiert würde. Als Beispiel verwies er auf die jahrzehntelange Haltung des Westens zur sowjetischen Besetzung der baltischen Staaten.
Trump trifft Putin ohne Selenskyj
Am Freitag wollen Trump und Putin im US-Bundesstaat Alaska über eine mögliche Friedenslösung in dem seit rund dreieinhalb Jahren dauernden russischen Angriffskrieg verhandeln. Trump stellt das Treffen in Alaska als Versuch dar, einem Ende der Kämpfe näherzukommen. Er sprach in diesem Kontext von einem möglichen Gebietstausch zwischen der Ukraine und Russland.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nicht eingeladen. Dieser lehnt einen Verzicht auf die Gebiete kategorisch ab - und könnte darüber auch nicht allein entscheiden. Eine Abtretung würde eine Verfassungsänderung erfordern und wohl schwere innenpolitische Verwerfungen auslösen.
Der US-Nato-Botschafter schließt allerdings eine Einladung an Selenskyj zu dem Treffen nicht aus. "Ich halte es durchaus für möglich", sagte Matthew Whitaker dem Sender CNN. Die Entscheidung werde von US-Präsident Trump getroffen. "Wenn er der Meinung ist, dass dies der beste Zeitpunkt ist, um Selenskyj einzuladen, dann wird er das tun", erklärte Whitaker. Bislang sei dazu noch keine endgültige Entscheidung gefallen, und es bleibe noch Zeit.
Mit Blick auf einen von Trump ins Spiel gebrachten "Gebietstausch" zwischen Russland und der Ukraine sagte Whitaker, es gehe darum, eine Einigung zu finden. Unterhändler berieten aktuell darüber, welche Gebiete betroffen sein könnten.
Selenskyj: "Werden unsere Unabhängigkeit verteidigen"
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, mahnte, den Fokus dabei nicht nur auf territoriale Fragen zu richten, sondern auf die Menschen. Unterdessen wollen die EU-Außenminister bei einer Videokonferenz ihre nächsten Schritte besprechen. "Europas Kerninteressen stehen auf dem Spiel", teilte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas vor der Sondersitzung am heutigen Montag mit. Sie betonte, dass jede Vereinbarung zwischen den USA und Russland die Ukraine und die EU einschließen müsse, "denn es geht um die Sicherheit der Ukraine und ganz Europas". Russlands Aggression dürfe nicht belohnt werden – die vorübergehend russisch besetzten Gebiete gehörten zur Ukraine.
Selenskyj unterstrich in seiner abendlichen Videoansprache indirekt, dass er einen Deal zum Gebietstausch nicht akzeptieren werde. "Wir werden unser Land und unsere Unabhängigkeit auf jeden Fall verteidigen", betonte er. Und alles, was die Ukraine betreffe, müsse unter Beteiligung der Ukraine entschieden werden.
In dem Treffen am Freitag sieht der ukrainische Präsident einen neuen Täuschungsversuch Moskaus. "Wir verstehen die Absicht der Russen, Amerika zu täuschen – das werden wir nicht zulassen", sagte Selenskyj. Er schätze die Entschlossenheit Trumps, den Krieg zu beenden. Dennoch sei der einzige Grund für das fortgesetzte Töten in der Ukraine der Wunsch Putins, Krieg zu führen "und alle zu manipulieren, mit denen er in Kontakt kommt".
Vance: "Sind mit Finanzierung des Ukraine-Kriegsgeschäfts durch"
Angesprochen auf die Debatte, ob die Ukraine für einen Friedensschluss Teile ihres Staatsgebiets aufgeben sollte, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, im ZDF-"heute journal": "Wir müssen verstehen, es geht nicht um Gebiete, es geht auch um Menschen." Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer lebten heute unter russischer Besatzung. Da seien Hunderttausende Kinder, die zu russischen umerzogen würden. Auch welche Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten passierten, "können wir uns kaum vorstellen, weil wir kaum Zugänge haben". Deswegen könnten es sich die Ukraine und Europa nicht leisten, dies Putin zu überlassen.
Viele der kriegsmüden Menschen in der Ukraine hätten auch Verwandte in den besetzten Gebieten. Auch deswegen sei es nicht so einfach, Gebiete abzutreten, sagte Makeiev.
US-Vizepräsident JD Vance bekräftigte unterdessen, dass sich die Vereinigten Staaten finanziell aus der Unterstützung der Ukraine zurückziehen wollen. Trump und er seien der Auffassung, "dass die USA mit der Finanzierung des Ukraine-Kriegsgeschäfts durch sind", sagte Vance dem Sender Fox News in einem Interview, das schon vor ein paar Tagen aufgezeichnet wurde.
Man wolle eine friedliche Lösung finden und das Töten beenden. Die Amerikaner seien es leid, weiter ihre Steuergelder für diesen konkreten Konflikt auszugeben, so Vance. Das Interview wurde bereits vor der offiziellen Bekanntgabe des Treffens von Trump mit dem russischen Präsidenten Putin aufgezeichnet, aber erst am Sonntag vollständig ausgestrahlt.