Der Sicherheitsexperte Christian Mölling rechnet mit dem Einmarsch der israelischen Armee in den Süden Libanons, um dort Stellungen der islamistischen Hisbollah zu bekämpfen. Mölling sagte am Freitag im stern-Podcast "Die Lage – international", die Explosionen von Pagern und Funkgeräten, bei denen Tausende Hisbollah-Angehörige getroffen worden seien, hätten die Miliz deutlich geschwächt. "Kurzfristig ist der Impact enorm", erläuterte der Direktor des Europa-Programms der Bertelsmann-Stiftung.
Auf längere Sicht würden andere Kämpfer nachrücken und Verwundete genesen, aber das brauche Zeit. "Israel will wahrscheinlich diese kurzfristige Lücke nutzen", erwartet er. Es spreche "alles dafür, dass wir innerhalb der nächsten Tage eine große Landoffensive Richtung Libanon sehen". Als einzige Einschränkung nannte Mölling die Möglichkeit, dass Israel die präparierten Pager und Funkgeräte gezündet habe, um einer Entdeckung der Manipulationen zuvorzukommen – und nicht als Teil eines eigenen Plans. Dies schien ihm jedoch eine eher theoretische Möglichkeit. Er betonte: "Wir sehen die Vorbereitungen einer Landoffensive."
Warnung vor Verurteilung Israels nach Angriff im Libanon
Nach Möllings Einschätzung war der Angriff auf die Kommunikationsgeräte der Hisbollah verhältnismäßig. "Die Frage, ob das völkerrechtlich in Ordnung ist, hat nichts damit zu tun, wie viel schreckliche Bilder produziert worden sind", sagte er. Die Verurteilungen Israels, die gerade in den sozialen Medien kursierten, gingen an der Idee des Völkerrechts vorbei. Es gehe eben nicht darum, Krieg zu verhindern, sondern dessen Auswirkungen auf Zivilisten zu begrenzen. "Wenn man Leute angreift, die als Kämpfer angesehen werden können, muss man darauf achten, dass so wenig Zivilisten wie möglich zu Schaden kommen."
Das militärische Ziel müsse es rechtfertigen, wenn auch Zivilisten verletzt würden. Aus israelischer Sicht ließe sich durchaus argumentieren, dass das bei den Angriffen auf die Hisbollah der Fall gewesen sei. Wenn die Hisbollah-Kämpfer legitime Ziele seien, die sich unter die Zivilbevölkerung mischen, dann sei es deutlich weniger legitim, diese Leute mit Raketen oder Bomben zu bekämpfen, die weit weniger zielgerichtet seien.
Krieg dringt ins zivile Leben vor
Mölling sagte, der Angriff auf die Pager sei ein Beispiel dafür, dass sich moderner Krieg immer mehr in die zivile Lebenswelt ausbreite. "Die Bandbreite wird größer", erklärte er. "Es wird alles digitaler und es wird ziviler." Panzer und Flugzeuge blieben zwar wichtig in militärischen Auseinandersetzungen, doch nehme ihre Bedeutung ab. Das zeige auch der Konflikt in der Ukraine. "Kann sein, dass in zehn Jahren dann unsere KI-gesteuerten Kühlschränke in die Luft fliegen", sagte Mölling.