Fragen und Antworten Die USA liefern Uranmunition an die Ukraine. Doch die Geschosse sind umstritten

Uranmunition Abrams-Panzer
Mit US-amerikanischen Abrams-Panzern soll die Uranmunition in der Ukraine verschossen werden
© Spc. Adrian Greenwood / DVIDS / DPA
Uranmunition haben die USA schon in mehreren Kriegen eingesetzt. Jetzt wird auch die Ukraine damit beliefert. Fluch oder Segen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Vereinigten Staaten zählen zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine im russischen Angriffskrieg. Das hat US-Außenminister Antony Blinken nun erneut bewiesen. Bei seinem vierten Staatsbesuch in Kiew seit Kriegsausbruch kündigte er ein Millionen schweres Rüstungspaket an. 175 Millionen Dollar (rund 163 Millionen Euro) lassen sich die USA die humanitäre und militärische Hilfe kosten. Die wohl wichtigste Lieferung: Munition vom Kaliber 120 Millimeter mit abgereichertem Uran. Sie ist für die 31 Abrams-Panzer bestimmt, die Washington Kiew Anfang des Jahres zugesagt hat und ab September dort eintreffen sollen. Es ist das erste Mal, dass ein Land Uranmunition an die Ukraine liefert.

Was ist Uranmunition?

Uranmunition wird auch DU-Munition genannt (engl. depleted uranium). Ihre Projektile enthalten abgereichertes Uran, ein Abfallprodukt aus Atomkraftwerken oder der Herstellung von Atomwaffen. Das Uran ist so hart, dass es beim Auftreffen auf ein Ziel seine Form nicht verändert, aber starke Panzerungen durchdringen kann. Das liegt an seiner hohen Dichte. Es ist 2,5 mal so schwer wie Eisen und wird genutzt, um Granaten und Bomben mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Die Munition ist deshalb vor allem für Duelle gedacht, bei denen die Kriegsparteien die Panzer der Gegner beschießen. Solche Duelle sind in den aktuellen Gefechten in der Ukraine allerdings selten.

Hat die Ukraine schon Uranmunition erhalten?

Im Frühjahr hatte Großbritannien angekündigt, der Ukraine Uranmunition zur Verfügung zu stellen. Russlands Präsident Wladimir Putin drohte daraufhin, seine Streitkräfte ebenfalls mit solcher Munition zu beliefern. Die USA sind jetzt das erste Land, das die Geschosse wirklich liefert.

Ist Uranmunition eine Kernwaffe?

Nein. Uran ist ein natürliches Element, das auch in der Umwelt vorkommt. Forscher konnten es bereits als Spurenelement im Boden und im Meerwasser nachweisen. Abgereichertes Uran ist etwa 60 Prozent weniger radioaktiv als im Naturzustand, laut internationaler Atomenergiebehörde (IEA) aber eine giftige Chemikalie.

Wie gesundheitsschädlich ist die Munition?

Der Einsatz von Uranmunition ist nach internationalem Recht nicht verboten – aber umstritten. Die UN-Atomaufsichtsbehörde mahnt zur Vorsicht und warnt vor möglichen Gefahren einer Explosion. Das Metall gilt als giftig, sowohl für die Soldaten als auch für die Menschen, die in den Kriegsgebieten leben.

Zerfällt die Munition, wird Alphastrahlung frei. Sie kann Kleidung und unverletzte Haut zwar nicht durchdringen, wird sie aber über Trinkwasser oder Lebensmittel aufgenommen, schadet sie dem menschlichen Körper. Uran kann unter anderem die Nieren schädigen. Die Organisation International Coalition to Ban Uranium Weapons (ICBUW) führt auch Krebserkrankungen und Fehlgeburten auf abgereicherten Uranstaub zurück.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt in einer Analyse Sanierungsmaßnahmen, sollten die Uranwerte in einer Region Grenzwerte übersteigen.

Die USA haben Uranmunition bereits in mehreren Kriegen eingesetzt. Viele US-Soldaten klagen heute über gesundheitliche Beschwerden. In der Forschung waren die gesundheitlichen Folgen von Uranmunition lange umstritten. Von der US-Regierung unterstützte Forschungsprojekte wiesen einen Zusammenhang zurück. Andere Untersuchungen, darunter eine kürzlich im Fachmagazin "BMJ Global Health" erschienene Studie, belegen das Gegenteil.

Die IEA rät dazu, die Munition nur selten einzusetzen und dabei Schutzkleidung zu tragen. Zudem könne eine öffentliche Informationskampagne erforderlich sein, "um sicherzustellen, dass die Menschen den Umgang mit den Geschossen vermeiden".

Was sagt Russland zu der angekündigten Lieferung?

Die russische Botschaft in Washington hat die Pläne der USA als "klares Zeichen der Unmenschlichkeit" verurteilt. "Washington, das von der Idee besessen ist, Russland eine 'strategische Niederlage' zuzufügen, ist bereit, nicht nur bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen", erklärte die russische Botschaft am Mittwoch im Onlinedienst Telegram und warnte vor "einer sich bewegenden radioaktiven Wolke". Dies zeige, dass die USA "zutiefst gleichgültig" gegenüber der Gegenwart und der Zukunft der Ukraine und ihrer europäischen Nachbarn seien, erklärte die Botschaft weiter und fügte hinzu, die russische Armee werde die an die Ukraine gelieferten Waffen weiterhin methodisch zerstören.

Wo wurde Uranmunition bereits eingesetzt?

Laut der Organisation ICBUW stellen die USA, das Vereinigte Königreich, China, Russland, Frankreich und Pakistan Uranwaffen her. Von 14 weiteren Staaten sei bekannt, dass sie zumindest Uranwaffen lagern. Allerdings hätten bisher nur die USA und Großbritannien Uranmunition eingesetzt. Große Mengen davon wurden im Irak, in den Golfkriegen sowie in Serbien und im Kosovo genutzt.

Forscher des Uranium Medical Research Centre (UMRC) wiesen nach dem Irak-Krieg in besonders umkämpften Regionen 20-mal höhere radioaktive Strahlenwerte nach. An einzelnen abgeschossenen irakischen Panzern maßen die Forscher das 2500-fache der natürlichen Radioaktivität.