US-Repräsentantenhaus Obama triumphiert mit Gesundheitsreform

Sieg für Barack Obama: Das US-Repräsentantenhaus hat die Gesundheitsreform durchgewunken. Der Präsident kann das Gesetz für das Mega-Projekt nun unterzeichnen - musste aber lange zittern.

Nach einjährigem Kampf haben die amerikanischen Demokraten die geplante Gesundheitsreform endlich vom Eis gebracht. Das US-Repräsentantenhaus nahm das wichtigste innenpolitische Projekt von Präsident Barack Obama am Sonntagabend Ortszeit an. Der hatte auf der Zielgeraden im Kapitol in Washington noch einmal an seine Parteifreunde appelliert, das Reformwerk nun endlich auf den Weg zu bringen. Es half: 219 Abgeordnete stimmten dafür, drei mehr als benötigt. Obama darf das Gesetz zu dem Mega-Projekt jetzt unterzeichnen.

Nur wenige Stunden vor der entscheidenden Abstimmung hatte eine Gruppe konservativer Abgeordneter der Demokraten ihre Ablehnung des Gesetzes aufgegeben. Der Präsident sagte eine von ihnen geforderte Verordnung zu, nach der keine Bundesmittel für die Finanzierung von Abtreibungen verwendet werden dürfen. Das Präsidialamt teilte mit, dass Obama diese Anordnung erlassen werde, sobald die Reform verabschiedet worden sei.

Schon vor der Abstimmung war es turbulent zugegangen im US-Kongress. Während sich die Abgeordneten im Kapitol einfanden, drangen zahlreiche Gegner in das Gebäude ein. Sie machten ihrem Unmut über Obamas wichtigstes innenpolitisches Vorhaben lautstark Luft. Auch rund um den Sitz des Kongresses in Washington versammelten sich zahlreiche Demonstranten, die "kill the bill" ("Tötet das Gesetz") skandierten.

Worum es geht

Ziel der bedeutendsten Sozialreform seit Jahrzehnten ist, 32 Millionen bisher unversicherten Amerikanern eine Krankenversicherung zu bieten. Mit der Reform soll erreicht werden, dass am Ende 95 Prozent der US-Bürger versichert sind. Derzeit sind es 83 Prozent. Die Kosten für den Staat: 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro) über zehn Jahre. Eine Grundversicherung wird für die allermeisten Amerikaner zur Pflicht. Versicherungen dürfen Amerikaner mit existierenden Erkrankungen künftig nicht mehr abweisen. Die Konzerne dürfen auch keine Aufschläge mehr wegen des Geschlechts oder des Gesundheitszustandes von Versicherten verlangen.

Ab 2014 sollen Bundesstaaten sogenannte Gesundheitsbörsen einrichten, an der Amerikaner Policen vergleichen und kaufen können. Geringverdiener erhalten als Unterstützung Steuererleichterungen. Eine staatliche Krankenversicherung, wie sie sich vor allem das linke Spektrum der Demokraten gewünscht hatte, wird es jedoch nicht geben.

Überzeugungsarbeit auf der Zielgeraden

Das ganze Wochenende über hatten Obama und die Parteispitze daran gearbeitet, skeptische Parlamentarier in den eigenen Reihen zu einem Ja zu bewegen und damit die nötige Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu sichern. So kam der Präsident am Vorabend der Abstimmung eigens ins Kapitol, um demokratische Wackelkandidaten auf seine Linie zu bringen. "Es liegt in Ihren Händen", beschwor er seine Parteifreunde bei dem Treffen am Samstag. "Es ist an der Zeit, die Gesundheitsreform zu verabschieden. Ich bin überzeugt davon, dass wir sie am Sonntag verabschieden. Lasst uns die Sache zu Ende bringen."

Die Republikaner lehnen die Reform geschlossen ab, deren Grundlage ein Entwurf des Senats ist, der bereits im Dezember verabschiedet worden war. Auch einigen Demokraten gehen die Neuerungen entweder zu weit oder nicht weit genug. Die Zustimmung zu der Vorlage soll ihnen erleichtert werden durch ein Paket von Änderungen, über das zusätzlich zum Senatsentwurf abgestimmt werden sollte.

Jetzt kann das Reformgesetz von Präsident Obama unterzeichnet werden. Das Änderungspaket muss dann noch durch den Senat, wo 51 Stimmen für eine Billigung notwendig sind. Erst dann gilt die gesamte Reform als wirklich unter Dach und Fach.

Ursprünglich wollte die demokratische Führung einen sogar noch raffinierteren Verfahrenstrick anwenden. Danach sollten die Abgeordneten über ein Begleitpaket von Änderungen votieren und dabei im selben Atemzug ohne direktes Votum schlicht bescheinigen, dass die Senatsvorlage als Grundlage mehrheitlich vom Abgeordnetenhaus gebilligt worden sei. Die Republikaner kritisierten dies jedoch als verfassungswidrig. Einige von ihnen kündigten an, dass sie das höchste US-Gericht anrufen wollten. Die demokratische Parteispitze war daher am Samstag von der Verfahrenstaktik abgerückt.

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