Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat am Dienstag seinen mit Spannung erwarteten Besuch in Syrien unmittelbar vor dem Abflug aus Jordanien abgesagt. Der SPD-Politiker erklärte seine Entscheidung mit einer unmittelbar vorausgegangenen Rede des syrischen Präsidenten Baschar el Assad. Vor dem syrischen Journalistenverband hatte Assad der Hisbollah weitere Unterstützung zugesagt und sie zum Sieger über Israel erklärt.
Steinmeier erklärte nach Angaben des Auswärtigen Amts, die Rede sei "ein negativer Beitrag, der den gegenwärtigen Herausforderungen und Chancen im Nahen Osten in keiner Weise gerecht wird". Ohne die Hintergründe des Mordes am libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri im April 2005 zu erwähnen, fügte Steinmeier hinzu, Syrien könne durch positives und konstruktives Handeln das verloren gegangene Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wiederherstellen und auf dieser Grundlage seine legitimen Interessen vertreten. "Als Grundvoraussetzung ist dafür jedoch ein klares und unzweideutiges Bekenntnis zur Beilegung regionaler Interessenunterschiede durch friedliche Mittel unabdingbar." Die Rede Präsident Assads weise jedoch in die gegenteilige Richtung. "Deshalb habe ich mich entschieden, jetzt nicht nach Damaskus zu reisen," erklärte Steinmeier.
Steinmeier: "Sie scherzen"
Delegationsmitglieder berichteten stern.de, Steinmeier habe sich bei seiner Absage gegenüber dem syrischen Außenminister Walid Moallem "massiv enttäuscht" über die Äußerungen Assads gezeigt. Moallem habe Steinmeier gegenüber kleinlaut versucht, die Bedeutung der Rede Assads herunter zu spielen. Moallem habe gesagt, solche Äußerungen der syrischen Regierung gebe es dauernd. Zudem sei die Rede lediglich eine "interne" gewesen und nicht für die internationale Welt bestimmt. Steinmeier habe entrüstet reagiert und daraufhin gewiesen, so etwas sei in einer global vernetzten Welt nicht möglich. Moallem habe den deutschen Außenminister zudem gebeten, in der Begründung für die Absage den Namen des syrischen Präsidenten nicht zu erwähnen. Steinmeier habe geantwortet: "Herr Kollege, sie scherzen."
Der syrische Präsident hatte die arabischen Herrscher dazu aufgefordert, den Widerstand gegen Israel zu unterstützen. Damit würden die Staatsoberhäupter den Menschen in der arabischen Welt folgen, die zum Großteil jetzt schon hinter der Hisbollah und andere Widerstandsgruppen stünden, sagte Assad in Damaskus. "Denjenigen, die Syrien vorwerfen, es unterstütze die Hisbollah, sagen wir, dass dies für uns eine große Ehre ist und ein Orden an der Brust jedes Arabers", so Assad. "Der israelische Angriff auf den Libanon war eine große Niederlage für Israel und seine Verbündeten", erklärte er. Assad lobte die UN-Waffenruhe-Resolution 1701, kritisierte jedoch ebenfalls, dass diese die Schuld an der militärischen Konfrontation der Hisbollah zuweise. Israel habe schon Jahre zuvor einen Angriff auf den Libanon geplant und die Verschleppung zweier israelischer Soldaten durch die Hisbollah Mitte Juli nur als Vorwand für ihren Angriff im Libanon benutzt.
Die Reise des Ministers nach Syrien war das Herzstück seiner dritten Nahostmission innerhalb kurzer Zeit. Sein Plan ist die Einbindung Syriens in den diplomatischen Prozess, der zu einer Nahost-Friedenslösung führen soll. Die radikal-schiitischen Hisbollah erhält aus dem Iran Waffen über Syrien.
Libanesische Arme bereitet Stationierung vor
Nach dem Ende der Kämpfe im Libanon- Krieg bereitet sich die reguläre libanesische Armee auf eine Stationierung von 15.000 ihrer Soldaten im Süden des Landes vor. Die Verlegung der libanesischen Einheiten in den Süden des Landes könne "innerhalb von Tagen" erfolgen, erklärte ein Armee-Sprecher am Dienstag, dem zweiten Tag der Waffenruhe zwischen Israel und der radikal-islamischen Hisbollah-Miliz. Die libanesischen Soldaten sollen zusammen mit bis zu 15.000 UN- Blauhelmen nach einem Abzug der Israelis den von der Hisbollah bisher kontrollierten Südlibanon sichern.
Vor Kasernen in Beirut standen am Dienstag zahlreiche Truppentransporter bereit. "Dies ist Teil unserer Vorbereitungen, damit wir Beirut (in Richtung Süden) verlassen können, sobald wir den Befehl dafür erhalten", sagte ein Armeesprecher. Im Hauptquartier der UN- Beobachtermission für den Libanon (UNIFIL) im südlibanesischen Küstenort Nakura haben Vertreter der UN, Israels und des Libanon bereits über die Terrainübergabe gesprochen, berichteten israelische Medien. Der französische UNIFIL-Kommandeur Alain Pellegrini, der israelische General Udi Dekel und ein hochrangiger libanesischer Verbindungsoffizier haben demnach eine Kommission gebildet, die die einzelnen Schritte der Übergabe abstimmen soll.
Die demnächst erwartete UN-Streitmacht soll das derzeit 2000 Mann starke UNIFIL-Kontingent deutlich aufstocken. Allerdings ist noch nicht klar, wer die zusätzlich 13 000 Soldaten stellen wird und ob die angepeilte Truppenstärke tatsächlich aufgeboten werden kann. Im Büro von UN-Generalsekretär Kofi Annan, der die Zusammenstellung der Truppe koordiniert, hieß es, die anvisierte Zahl sei möglicherweise zu hoch gegriffen.
Israel zieht Soldaten zurück
Die israelischen Streitkräfte zogen weitere Soldaten aus dem Nachbarland zurück. In Tel Aviv machte eine Militärsprecherin deutlich, dass die israelischen Truppen den Südlibanon nicht vor Eintreffen der Stabilisierungstruppen verlassen wollen. "Einige Truppenteile werden abgezogen, andere bleiben", sagte sie. Israelische Medien berichteten unter Berufung auf Militärquellen, dass sich die Streitkräfte zunächst auf eine Linie von fünf bis sieben Kilometern innerhalb des Südlibanons zurückziehen wollen. Die Linie entspricht in etwa dem Frontverlauf, den das israelische Militär in der Frühphase des 33- tägigen Waffengangs hergestellt hatte. In den letzten Stunden vor der Waffenpause hatten israelische Einheiten am Wochenende mehrere Positionen tief innerhalb des Südlibanons und nahe am strategisch wichtigen Litani-Fluss erobert.
Die UN-Sicherheitsratsresolution 1701, auf der die Waffenruhe und die Stationierung libanesischer und internationaler Truppen im Südlibanon beruht, verlangt auch die Entwaffnung der Hisbollah. Deren Führer, Scheich Hassan Nasrallah, erteilte jedoch einer schnellen Umsetzung dieser Forderung eine Abfuhr. Seine Miliz werde sich "nicht unter Druck oder Einschüchterungen" entwaffnen lassen, erklärte er in einer Fernsehansprache am Montagabend. Er bekräftigte zwar seine Zustimmung zum Einsatz der libanesischen und der UN-Truppen. Diese würden jedoch "den Libanon nicht verteidigen können", sagte er.